Flagge von Tansania
Ich bin gerade in Daressalam, Tansania (ungefähr hier). Ich leiste dort einen etwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts ab, der ein Jahr dauert.

Auf dieser Seite möchte ich für alle Bekannten und Interessierten meine Erfahrungen und Erlebnisse aufschreiben und fotografisch dokumentieren.

Ich bin am 24. September über die Organisation VIA e.V. ausgereist und arbeite in Daressalam im Projekt "Friends of Don Bosco".

Zu erreichen bin ich per Telefon, E-Mail und postalisch.

An Friends of Don Bosco spenden!

(Ich bin wieder in Deutschland. Das Blog und die Fotos lasse ich aber für Interessierte weiterhin online, in umgekehrter, das heißt chronologischer Reihenfolge. Viel Spaß beim Lesen!)

Vorbereitung, Dubai und die ersten Tage Daressalam

28. September 2008

Eigentlich wollte ich schon vor meinem Abflug ein wenig über das Vorbereitungsseminar schreiben, aber ich kam einfach nicht dazu. Aber angesichts dessen, was ich aber seit dem erlebt habe, erscheint mir das Seminar zwar hilfreich, aber doch eher unbedeutend.

Wir waren 23 Jugendliche, die meisten waren gerade mit dem Abitur fertig geworden, und wollten alle in Ostafrikanische Länder gehen: Kenia, Tansania und Mosambik. Das zehntägige Seminar war pädagogisch sehr gut geplant und durchgeführt, wenig trockene Theorie, dafür viele anschauliche Planspiele. Auch die Leute waren sehr, sehr nett und ich habe mich richtig gefreut, die meisten von ihnen in Dubai wiederzutreffen.

Nach dem Seminar hatte ich dann zwei hektische Tage, um noch wichtige Besorgungen zu erledigen, zu packen, und allen Freunden tschüß zu sagen. Eines der Highlights des Tages war sicherlich, dass um 10:30 ein Mann von UPS klingelte und meine fünf Belegexemplare des Z-Shell-Buches brachte.

Am Flughafen wurde ich nett verabschiedet, und bin dann nach Dubai geflogen. Der Flug mit FlyEmirates war große Klasse, nicht nur waren alle Getränke umsonst (abgesehen von Champagner), auch das Essen war – verglichen mit anderen Fluggesellschaften – gut und viel. Dann landen wir und Dubai, steigen aus dem Flugzeug und – es hätte noch der Eukalyptus-Duft gefehlt, und ich hätte schwören können ich wäre in einer Sauna! Mitternacht, 32 Grad und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, so habe ich Dubai kennen gelernt. Der Flughafen hingegen ist vollklimatisiert.

Wir sechs Leute, die von Hamburg geflogen waren, haben uns dann ein Touristen-Visum für die UAE geholt, so dass wir den FLughafen verlassen konnten. Wir haben uns ein Taxi bestellt, und eine einstündige Rundfahrt durch Dubai gemacht, für insgesamt 30 EUR inkl. Trinkgeld.

Dubai ist eine einzige Baustelle. In der Innenstadt sieht man wenig fertige Hochhäuser, ca. ein Drittel der Hochhäuser befindet sich noch im Bau, mit teils abenteuerlichen Kran-Kontruktionen. Und da auch alles schnell fertig werden muss, wird auch noch im Ramadan nachts um zwei gechweißt. Wo Geld ist...

Wieder zurück im FLughafen haben wir uns erst mal ein gutes Essen gegönnt, in der FlyEmirates-Lounge, die jeder betreten durfte, der mehr als vier Stunden im Transit war. Kostenloses Essen mit Salat! Danach haben wir uns einen Schlafplatz gesucht. Selbst morgens um 4:30 ist im Flughafen von Dubai noch der Bär los. Leuet laufen herum, alle Geschäfte haben offen, alle sprechen Englisch. Und da wo sitze sind, schlafen Leute. Meist auf dem Teppichboden unter den Sitzen, teilweise einfach irgendwo an die Wand gelehnt. Wir haben uns entschlossen, uns auf Marmorfußboden, an eine künstliche Palme gelehnt, für ein, zwei Stunden zur Ruhe zu legen.

Um 6:30 kamen dann die anderen Ostafrikaner mit den Flügen aus Frankfurt, Dortmund und München an. Gegen zehn Uhr gingen dann die beiden Flüge in Richtung Kenia bzw. Tansania. Auch wenn ich viel geschlafen habe, habe ich doch teils tolle Bilder aus dem Flugzeug gesehen... zum Beispiel die Nordostspitze von Somalia. Eindrucksvoll! Wenn man die UAE und Tansana aus denm Flugzeug vergleicht, so lässt sich am einfachsten feststellen: Dubai ist sandig mit geteerten Straßen, während Tansania gründ mit sandigen Straßen ist. Der Unterschied ist wirklich gewaltig.

Bei der Einreise nach Tansania hatten wir keine Probleme. Wir wurden mit einem Bus zu einer Bank gefahren, so dass wir ein paar Tansanische Shillinge holen konnten (1 € sind ca. 1700 Tsh). Außerdem hatten wir die Gelegenheit, Tigo-SIM-Karten zu kaufen, so dass wir untereinander günstig telefonieren können.

Die Mobilfunkpreise sind, gemessen am deutschen Standard, eher günstig. Eine SMS ins Ausland kostet hier ca. 85 Tsh – umgerechnet also ca. 0,05 €. Außerdem gibt es gerade eine Werbeaktion: Sendet man "Extreme" an die 15372, so kann man von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends kostenlos zu Tigo telefonieren, für nur 1500 Tsh (0,87 €).

Mit dem Bus haben wir dann alle Leute zu ihren Gastfamilien gebracht. Jonathan und ich waren die letzten, und es war über vier Stunden seit der Einreise, dass wir unseren Gastgeber trafen, der uns mit seinem Auto vom Bus abholte. Warum, das verstanden wir zuerst nicht, es wurde uns aber schnell klar: Kein Bus der Welt hätte die Strecke, die wir fuhren, zurücklegen können. Daressalam wird zwar als Stadt bezeichnet, aber da, wo wir wohnen, würde ich es eher als "viele Dörfer auf vielen Hügeln, durch Wege verbunden, die mehr aus Schlaglöchern denn aus Weg bestehen" bezeichnen.

Das Haus, in dem wir wohnen, ist luxuriös, verglichen mit den anderen Häusern drumherum. Jonathan und ich haben jeweils ein eigenes Zimmer, mit Doppelbett, bereits vorinstalliertem Mückennetz und einem Sessel. Das Haus hat ein Wohn- und Esszimmer, so wie eine Küche mit Spüle und Herd (das scheint mir der eigentliche Luxus zu sein). Die Toilette und die Dusche werden mit fließend Wasser, was aus einem Tank hinter dem Haus kommt, betrieben. In meinem Zimmer lebt eine Eidechse (mjusi):
Meine Eidechse

Das Haus gehört Huruma Mtui, Elektriker, 29 Jahre alt, der dort mit seinem kleinen Bruder Godi (15) lebt. Die beiden sind sehr nett, können aber wenig Englisch. Godi kann lediglich einige Worte, währen man mit Huruma schon Konversationen führen kann, auch wenn diese oft in Missverständnissen enden.

Rund um das Haus, das in King'ongo an der Kreuzung Kwa Komba liegt, werden momentan noch viele Häuser gebaut. Überall wächst irgendetwas, was man vielleicht essen kann, und überall liegt Müll rum. Plastikmüll ist hier tatsächlich Normalität – er liegt hier überall, und niemand kümmert sich darum. Die Kinder spielen damit. Er wird wiederverwendet. Aber niemand kommt auf die Idee, das man das Plastik, was nicht auf natürlichem Wege zersetzt wird, einsammeln könnte, anstatt es im Boden zu vergraben.

Auf der Busfahrt habe ich mit David zusammen versucht, alles, was wir sahen, in einem Wort zu beschreiben. Während beliebig oder afrikanisch ziemlich genau das trifft, was wir sahen, ist auch der AUsdruck geordnetes Chaos sehr zutreffend: Jeder verkauft irgendwas, oder ruft irgendwas, hupt irgendwie – und trotzdem findet jeder seinen Weg.

Huruma kauft immer vor dem Essen das ein, was er braucht (Ladenöffnungszeiten oder irgendetwas ähnlich deutsch-geregeltes gibt es nicht), oder Frauen kommen mit Gemüse vor sein Haus um es ihm anzubuieten. Das Essen ist mäßig bis schwer genießbar, außerdem erinnert es an Männer-WG: Gestern abend haben wir 700g Spaghetti gemacht (Hardcore-Al-Dente, wie ich es nennen würde; das heißt, lediglich drei Minuten in einem Blechnapf in heißem Wasser eingeweicht), dazu Tomaten und Zwiebeln geschnitten und zusammen mit Würstchen (die nicht viel mit dem gemein haben, was man in Deutschland unter einem "Würstchen" versteht) in einem Topf ein paar Minuten geköchelt. Dazu gab's als Nachtisch Papaya.

Heute morgen bin ich extra ein bisschen früher (halb sieben) aufgestanden, weil ich gerne beim Schlachten eines von Hurumas Hühnern helfen wollte. Wir haben über zwei Stunden gebraucht, bis wir das Huhn geschlachtet, gerupft, zerschnitten, gewaschen und ausgewählte Teile zusammen mit Tomaten und Zwiebeln gekocht hatten. Das Huhn gab es dann mit süßen Kartoffeln und schwarzem Tee zum Frühstück. Ich hatte den Magen, was sich insofern als schwierig gestaltete, als dass das Huhn wohl ein ein paar Glassplitter gegessen hatte, an denen ich mir dann auch die Zähne ausbeißen musst. Und was die Tansanier (oder zumindest Huruma) kein bisschen können, ist würzen. Jedes Essen schmeckt so ein bisschen nach nichts. Zwar ist Salz im Haus, aber das wird selten verwendet. Pfeffer konnte ich noch nicht entdecken.

Jonathan und ich waren heute schon das dritte Mal beim Projekt, dazu aber später mehr, wenn ich die Leute dort besser kennen gelernt habe. Das, was wir gesehen und gehört haben, klingt aber vielversprechend.

Eine Sache für sich ist das Busfahren hier. Die Busse heißen Daladala und kosten zwischen 200 und 300 Tsh pro Fahrt (0,12-0,18 €). Es ist abenteuerlich, wie viele Leute in so einen Bus passen. Heute musste ich beispielsweise stehen, in einem Bus, in dem bereits bestimmt 15 Leute saßen (auf 10 Sitzplätzen). Lustig ist es auch, mit umgebauten Kleinlastern (ähnich wie Planwagen) hoch zu unserem Haus zu fahren. Jonathan hat heute einmal gezählt, und auf der Ladefläche waren 24 Personen, im Führerhaus drei. Die Busse fahren auch nicht zu einer bestimmten Zeit, sondern dann, wenn wirklich niemand mehr rein passt. Das mag der Pünktlichkeit nicht zuträglich sein, dafür fährt kein Dalladalla halbleer über die Straßen.

Soweit erstmal, und schreibt mir eine SMS oder E-Mail, wenn ihr Lust habt (Kontaktdetails)!


Ein Tag am Strand, japanisches Essen, Waschtag und ein Regal

5. Oktober 2008

Am Samstag sind fast alle Kinder von Friends of Don Bosco zu einem Ausflug an den Strand mitgekommen. Organisiert wurde dieser von zwei dänischen Volunteers, Anna und Laerka, die übermorgen wieder nach Dänemark abreisen und den Ausflug als Abschiedsgeschenk an die Kinder geplant haben.




Jonathan ist das ganze Wochenende krank zu Hause geblieben, daher war er leider nicht mit am Strand. Dafür hatte ich noch den anderen Deutschen, die ich vom Vorbereitungsseminar kannte und die auch in Daressalam wohnten, Bescheid gesagt, so dass einige von ihnen mitgekommen sind. Das war unter anderem insofern ganz gut, weil ein Großteil der Kinder nicht schwimmen kann.

Wir haben den ganzen Tag, also von kurz nach zehn Uhr morgens bis Sonnenuntergang, am Strand verbracht. Ich habe auch einen kleinen Sonnenbrand bekommen, was mir in Deutschland quasi nie passiert – Äquatorsonne...

Während die Kinder mit dem gemieteten Bus wieder nach Hause gefahren sind, wurden wir Volunteers mit Evans (dem Gründer und Leiter des Projekts) zusammen zum Essen eingeladen, und zwar von einem der Hauptsponsoren des Projektes, Don. (Dessen Name hat aber nichts mit dem Namen Friends of Don Bosco zu tun!) Er arbeitet in einem großen Bergbaukonzerns, lebt in Perth (Australien), und unterstützt das Projekt regelmäßig mit Geld sowie Sachspenden (vor kurzem hat er einen großen Kopierer, der nicht mehr einwandfrei funktioniert, gestiftet). Dieser Don lud uns also in ein japanisches Restaurant der Extraklasse – direkt im Botschafts- und Regierungsviertel gelegen und von Mauern umzäunt – ein. Evans, eine Arbeitskollegin von Don sowie eine Freundin waren die einzigen Farbigen im gesamten, gut besetzten Restaurant. Die anderen Leute schienen mir allesamt Angehörige irgendwelcher Vertreter anderer Länder zu sein.

Der Clou an dem Restaurant war, dass der japanische Koch live, das heißt vor unseren Augen auf der riesigen Metall-Herdplatte, die in den Tisch eingearbeitet war, kochte. Und das Essen war gut, sehr gut! Es gab Reis, Blumenkohl, Gemüse, Ei, Pilze, rohes Fleisch, Fisch, gebratenes Huhn, gebratenes Rind, viele Soßen, Wasabi, scharfen Salat, und kaltes Heineken. Die Preise waren auch dementsprechend: Für den Preis von einem Heineken (4500 Tsh) könnte ich im Laden direkt bei unserem Haus elf Flaschen Fanta oder Cola kaufen. Und endlich einmal hatten wir Europäer (mzungu) mal etwas, was wir konnten, während die drei Afrikaner völlig hilflos dastanden: Mit Stäbchen essen!

Der Tag war also rundum gelungen: Erst der Strand, dann das gute Essen und nette Unterhaltungen mit jemandem, der endlich mal wieder richtiges Englisch und nicht dieses afrikanische Englischgebrabbel spricht. Da wir erst um kurz nach eins beim Projekt ankamen, habe ich zusammen mit den anderen Volunteers (den Däninnen Anna und Laerka, sowie Marissa aus Kiel) in Evans' Haus übernachtet, da er es für zu gefährlich für mich erachtete, zu Fuß nach Hause zu gehen.

Heute dann, am Sonntag, bin ich morgens nach Hause gefahren, und wir haben viel geschafft: Nicht nur haben wir die Wäsche der vergangenen Woche gewaschen (mit der gleichen Seife wie die, die sie zum Spülen von Geschirr verwenden – vielleicht kaufe ich hier mal Waschpulver), auch haben wir es endlisch geschafft, mal richtig einzuziehen: Indem wir jeweils ein Regal gebaut haben. Das Holz dafür (Bretter von 360x25 Zentimetern Länge/Breite) haben wir um die Ecke gekauft, für 6000 Tsh (3,73 €) pro Stück.





Jetzt kann sich mein Zimmer endlich mal sehen lassen! Hier der Vergleich vorher–nachher:



Achja, manchmal haben wir auch Stromausfall (zum Beispiel weil ein Strommast brennt oder so)...


Das Projekt

11. Oktober 2008

Ich habe nun mittlerweile eine ganze Woche im Projekt verbracht, daher möchte ich gerne schildern, was hier so abläuft. Das Grundstück, das dem Leiter dieses Projektes quasi geschenkt wurde (99-Jahres-Pacht), liegt direkt an der Morogoro Road, einer der zentralen Ein- und Ausfahrtsstrassen nach Daressalam, die sogar geteert ist.

Auf dem Grundstück befindet sich ein großes Gebäude, in dem sich das Büro, Schlafräume für die Mädchen und Jungs (getrennt) und ein Aufenthaltsraum befindet. Weiterhin existiert ein überdachter Klassenraum, in dem auf den Holzbänken bis zu 80 Schüler Platz finden müssen. Am Dienstag morgen habe ich Englisch unterrichtet, und da waren immerhin 52 Kinder anwesend.

Außerdem gibt es, weiter unten in Richtung der Straße, weitere Klassenräume für die Nursery School sowie Primary School. Hinter diesen beiden Gebäuden ist der Hühnerstall. Nursery School ist mit einer Art Vorschule gleichzusetzen, die Kinder lernen dort, auf englisch bis hundert zu zählen sowie erste Worte. Generell werden viele Spiele gespielt und viel im Chor wiederholt. Die Primary School umfasst die Klassen eins bis sieben, der Unterricht findet dort auf Kisuaheli statt.



Schließlich gibt es im tansanischen Schulsystem noch die Secondary School, die vier Klassen umfasst (entsprechend Klasse acht bis elf im deutschen Schulsystem). Danach gibt es die Möglichkeit, mit den Klassen fünf und sechs das Advanced Level zu erreichen, mit dem man ein Studium beginnen kann.

Da aber in der Secondary School die Bücher und der Unterricht durchgehend auf Englisch gehalten werden, gibt es sogenannte Pre-Form-One-Kurse, die an vielen Schulen, und auch in unserem Projekt, angeboten werden. Für ein relativ geringes Schulgeld (x Tsh) erhalten die Kinder Unterricht des Einführungsstoffes der Form One, also der ersten Klasse der Secondary School.

Wie oben schon beschrieben, habe ich am Dienstag zum zweiten Mal Englisch unterrichtet. Und es ist erschreckend, wie wenig Englisch die Kinder können, die in wenigen Monaten eine reguläre Schule besuchen sollen. Die Besten der Klasse (allesamt Mädchen) sind auf dem Stand, dass sie einfache Sätze bilden können, und die meisten Aufgaben lösen können, die ich stelle (wenn auch sehr langsam). Wenn man aber die Klasse bittet, in fünf Minuten Stillarbeit ein Adjektiv ihrer Wahl zu steigern, dann kommen bisweilen Versuche wie love, lover, lovest dabei heraus – und das, obwohl man vorher eine Dreiviertelstunde die Regeln für die Steigerung von Adjektiven mit diversen Beispielen durchgesprochen hat. Trotzdem haben dann einige Kinder immer noch nicht mitbekommen, dass es um Adjektive und nicht um Verben geht. Aufgrund der Größe der Klasse ist es aber kaum möglich, Einzelnen geziehlt zu helfen. Logischerweise verstehen die Kinder daher auch nicht, wenn man sie in anderen Fächern auf Englisch unterrichtet. Daher wird jede Klasse der Pre-Form-One entweder übersetzt, oder direkt auf Kisuaheli unterrichtet. Lediglich wichtige Begriffe werden dann auf Englisch eingeworfen: Commutative Property beispielsweise.

Neben dem Unterricht der Pre-Form-One besteht unser Aufgabe momentan darin, mit den kleineren zu spielen, uns ein bisschen zu unterhalten und den Älteren, die in externe Secondary Schools gehen, bei Schulproblemen zu helfen. Während Jonathan für die Leute der Secondary School Civics (Gemeinschaftskunde) und History unterrichten wird, werde ich eher für Mathematik, Physik, vielleicht auch ein bisschen Chemie und Englisch zuständig sein.

Außerdem besteht ein sehr großes Interesse an Computerunterricht, so dass Jonathan und ich uns gemeinsam hinsetzen werden und überlegen werden, wie man am besten effektiv "den Computer" unterrichtet. Im Büro stehen zwei Computer, die auch relativ gut funktionieren (für afrikanische Verhältnisse), da man aber schlecht mit vielen Leuten in diesen Raum kann, ist es wohl besser, erst den Lehrern hier Computerunterricht zu erteilen, so dass sie dies dann weitergeben können.

Dazu haben wir uns überlegt, unser eigenes Buch zu schreiben (handschriftlich), so dass man jederzeit alles unterrichtete nachschlagen kann oder sich zum Erklären an diesen Leitfaden halten kann. Starten wollen wir damit, wie ein Computer aufgebaut ist, das Konzept von Dateien, Verzeichnissen und Programmen, dann wollen wir uns daran machen, Word zu unterrichten, weil dies vermutlich die wichtigste Fähigkeit im Umgang mit Computern ist. Dafür haben wir ca. ein halbes Jahr eingeplant.

Wenn wir so weit sind, dann gibt es hier hoffentlich eine Internet-Verbindung. Die ist zwar schon angedacht, aber momentan aufgrund beständigen Geldmangels noch nicht realisierbar. Steht die Verbindung, so kann man das nächste halbe Jahr damit verbringen, das Konzept des Internet zu erklären, eine Einführung in E-Mails und die Benutzung von Webseiten zu geben, und eventuell den Unterricht auch ein wenig in Richtung des Themas "Internet hilft Demokratie" führen. Mal schauen, wie viel sich von diesem Vorhaben tatsächlich realisieren lässt.

Die Organisation des Projektes ist so richtig afrikanisch: Zwar wird immer unterrichtet, aber immer von verschiedenen Leuten, die sich untereinander daher auch nicht ideal absprechen können. Zwar gibt es einen Koordinator, aber so wirklich viel koordinieren kann er nicht. Alles funktioniert irgendwie, aber "mittelmäßig" wäre schon ein zu euphemistischer Begriff.

Ansonsten sitzen wir auch viel rum und warten. Oder lernen Kisuaheli. Auch beachtlich ist, wie wenig der Durchschnittsafrikaner von Technik versteht. Da eine Ratte, die in dem Büro lebt, die über der Pappdecke gelegte Verkabelung des Deckenventilators durchgebissen hatte, funktionierte der Ventilator monatelang nicht. Also habe ich ihn repariert, nachdem mir Huruma das Elektrizitätssystem erklärt hatte. Kabel (6m, geschirmt) und Stecker (mit Statusleuchte und 13A-Sicherung) haben zusammen 10000 Tsh gekostet (5,80 €). In Bildern: Planung – Ausführung – funktioniert!

[ Bilder folgen noch! ]

Ein anderes Beispiel: Der Koordinator, der seit gestern auch ein Informatikstudium begonnen hat und hier für die Computer zuständig ist, bestand fest darauf, dass auf dem einen Computer kein Word installiert sei. Auf dem Desktop waren aber viele Word-Dokumente, und diese ließen sich auch problemlos öffnen. Lediglich die Verknüpfung nach Word bei StartProgrammeMicrosoft Office war verschwunden. Überschwänglicher Dank, nachdem ich die Verknüpfung wieder hineinkopiert hatte... Leute, die Sachen reparieren können, nennt man hier übrigens fundi.

Mittags und Abends gibt es Ugali na maharagwe, aber zum Essen in Afrika werde ich aber später noch einmal einen ausführlicheren Text schreiben müssen. – Grausam. Hier zwei Bilder der "Küche":



Umso besser war es, dass ich am Freitag meine Schwester Elisabeth, die mit einem Projekt der Blankeneser Kirche nach Iringa unterwegs ist, in Daressalam treffen konnte – und sie hatte eine Reisetasche voller Kostbarkeiten dabei: 4kg Haribo/Maoam, einen wissenschaftlichen Taschenrechner, schwarze Stabilos, Geschirrhandtücher (sowas gab es vorher in unserem Haushalt nicht) und noch einiges mehr. Das beste aber: Zwei Packungen frischen Salat!! Vielen Dank dafür noch einmal nach Deutschland.


Eine Überschwemmung

28. Oktber 2008

Eigentlich wollte ich langsam mal einen längeren Text zum generellen Leben hier schreiben, aber es ist mal wieder ein Ereignis dazwischengekommen...

So langsam geht hier die sog. kleine Regenzeit los – das konnten wir gestern hautnah erfahren. Es hatte schon die halbe Nacht über geregnet und dann bei Sonnenaufgang augehört. Kurz vor dem Frühstück fing der Regen aber wieder an, und Godi und ich sind rausgegangen, um ein bisschen vom Regenwasser in einem Fass aufzufangen.

Als wir dann gerade frühstücken wollten, hörten wir plötzlich einen Rumms, und die Küche und das Esszimmer liefen voller Wasser, weil eine das Grundstück begrenzende Mauer auf einer Länge von mehr als vier Metern eingebrochen war. – Ist ja auch kein Wunder, wenn man eine über 15 Meter lange Mauer senkrecht zum Hang baut, und die einzige Abflussmöglichkeit für das Wasser von einem Hüherstall und Geräteschuppen blockiert werden! An der Ecke zwischen Schuppen und Mauer hatten sich also mehrere tausend Liter Wasser gesammelt, und irgendwann wurde die Mauer unterspült und brach ein. Zum Glück ist der Großteil des Wassers am Haus vorbeigelaufen, aber es hat trotzdem mehr als zwei Stunden gedauert, um das Wasser (und den ganzen Schlamm) wieder aus dem Haus zu bekommen. So ein bisschen fühlte ich mich an den Heizungskeller zu Hause erinnert, den wir auch schon diverse Male leerschöpfen mussten...




Was gefällt und was nicht gefällt

6. November 2008

Nun habe ich schon eine ganze Weile nichts geschrieben, was schlicht und einfach daran liegt, dass ich nicht die Zeit finde, ständig ins Internet-Cafe zu gehen. Es passiert recht viel: Man lernt viele neue Leute kennen, wir machen mittlerweile regelmäßige Computerstunden (sofern Elektrizität da ist) und immer liegt irgendwas an – da bleibt kaum Zeit für privates wie Internet oder Bücher.

Ich fühle mich mittlerweile schon ziemlich zu Hause hier. Vieles gefällt mir, aber einiges auch nicht, daher wollte ich einmal eine kleine Aufzählung machen. Zuerst was nicht gefällt:

  1. Das ständiges Fernsehen – Dies ist ein Punkt, den man ja aus vielen anderen Ländern kennt. So auch hier in Tansania: Der Fernseher läuft den ganzen Nachmittag und Abend, egal ob jemand davor sitzt oder nicht. Manchmal kommt es sogar noch besser: Da sitzt man im Zimmer und unterhält sich, ein Tansanier kommt, macht den Fernseher an und geht wieder, im Stil von "Warum guckt ihr denn kein Fernsehen, nebenbei?". Bei uns zu Hause haben wir mittlerweile immerhin eine Radiostation gefunden, die nur Musik spielt und keine Nachrichten sendet, was einen recht guten Kompromiss zwischen ständiger Beschallung (die hier offensichtlich notwendig ist) und einer Umgebung, die Konzetration auf anderes erlaubt darstellt.
  2. Allgegenwärtiger Müll – Der wohl schockierendste Anblick am Anfang sind die Massen an Müll, die hier überall herumliegen. Das Verantwortungsbewusstsein der Hausbesitzer hört hier meist an der eigenen Grundstücksgrenze auf. Der Hausmüll (inklusive Verpackungen natürlich!) wird einfach ein paar Meter vom Haus weggetragen und auf den Boden gekippt. Die Strände sind hier leider auch größtenteils vermüllt. Wenn man Obst oder etwas anderes auf der Straße isst, dann schmeißt man den Müll einfach vor seine Füße, denn Mülleimer sucht man abseits der wirklichen Innenstadt vergeblich. Besonders eklig wird es, wenn die Tansanier, die keinen elektrischen oder gastbetriebenen Herd haben, das Frühstück oder Mittagessen kochen wollen: Dann wird einfach vom nächsten Müllhaufen ein bisschen Plastikmüll wie Grillanzünder verwendet. Wenn Jonathan (der Mitglied bei den Grünen ist) versuchen würde, den Tansaniern zu erklären, warum Umweltschutz wichtig ist oder alleine erzählen würde, dass er sich in einer Partei, die sich (größtenteils) dem Umweltschutz verplichtet fühlt engagiert – die Leute würden ihn einfach nicht verstehen, denn für sie ist herumliegender Müll etwas normales, und niemand käme auf die Idee, dass er gefährlich sein könnte (zum Beispiel wegen Krankheiten, oder weil Hühner ihn fressen, und die Menschen dann die Hühner essen, etc.).
  3. Keine Privatsphäre – Es passiert sehr selten, dass man wirklich Zeit für sich alleine hat. Als Europäer wird man ständig von allen Leuten angesprochen, die alle von einem erwarten, dass man etwas mit ihnen macht, sie einlädt, von ihnen ein Foto macht, ihr Haus anschaut, ihnen erklärt, warum es als Deutscher einfach ist, nach Tansania zu kommen, aber nicht umgekehrt oder – was am anstrengendesten ist – will, dass man ihnen Deutsch beibringt. (Das wollen die meisten dann aber nicht mehr, wenn man ihnen ein paar Deutsche Wörter vorliest, die gerade auf einer zufälligen Seite in einem Buch stehen... Ist euch schon mal aufgefallen, wie schwierig es für Nicht-Deutsche sein kann, Sätze wie "Der Rabe krächzt", was wirklich ein gemeines Beispiel ist, auszusprechen?) Ein paar der Kinder und Leute aus dem Dorf wissen auch wo wir wohnen, und kommen zum Beispiel mal samstags oder sonntags vorbei. Außerdem besitzen die Tansanier das eher anstrengende Talent, sich immer und überall selbst einzuladen – dann verkünden sie freudestrahlend "Let me escort you so I can see your home!" Unsere Rolle ist aber natürlich auch eine etwas schwierige: Weil wir "besonders" sind, wollen alle Leute etwas von uns, während wir gar nicht die Zeit haben, all den Ansprüchen der Leute gerecht zu werden. Ich habe bestimmt schon zwanzig Handy-Nummern von Leuten, die ich nicht wiedererkennen würde, wenn ich sie auf der Straße träfe. – Tagsüber ist also immer was los, die einzig freie Zeit ist abends, wenn wir nach Hause kommen. Aber dann (und spätestens nach dem Essen zwischen zehn oder elf Uhr) bin ich schon viel zu müde, um irgendetwas zu tun, was Konzentration erfordert, da wir auch um kurz nach sieben wieder aufstehen müssen.

Auf der anderen Seite gefällt auch vieles:

  1. Die Sprache – Kiswahili ist eine wirklich einfache, recht leicht zu erlernende und praktische Sprache. Nach etwas mehr als einem Monat des Lernens reicht mein Kiswahili für das Einkaufen von Sachen, einfache Kommunikation mit den Kindern, in begrenztem Maße Verhandlungen um einen Preis und natürlich die vielfältigen Begrüßungsformeln, ein typisches Beispiel (am Morgen der Wahl des amerikanischen Präsidenten auf der Straße mit einem Menschen, den ich nie zuvor gesehen hatte): Mambo!Freshi, mambo vipi?Safi, shuari kabisa?Shuari kabisa!Habari za Obama?Nzuri, nzuri sana! (Hallo, wie gehts?Gut, und bei Dir?Wirklich gut!Mir auch!Was sagst Du zu Obamas Sieg? [wörtl.: Nachricht von Obama?]Finde ich gut, sehr gut!) Für die, die es interessiert, werde ich irgendwann später noch einmal etwas ausfühlicher über die Sprache schreiben, die sehr anders als europäische Sprachen ist, da es beispielsweise a) keine Einteiung in männlich / weiblich / sächlich gibt, sondern statt dessen thematische Gruppen wie Lebewesen / menschengefertigte Dinge / Abstrakta / Orte, b) die Verben vorne konjugiert werden (ninataka = ich willst, unataka = Du willst, wanataka = sie wollen) und c) man ganze Relativsätze in einem Wort ausdrücken kann (Maandazi niliyonunua = Die Maandazi, die ich (z.B. gestern) gekauft habe).
  2. Frische Früchte – Egal, wo man hingeht, überall kann man frische Früchte kaufen. Besonders günstig sind hier Papayas, Ananas, Bananen, Wassermelonen, Orangen und Zuckerrohr. Momentan ist Ananas-Saison, und an jeder Ecke kann man sehr billige Ananas erstehen (sehr große für teilweise lediglich 1000 Tshs = ca. 0,60 €). Abends essen wir immer Früchte zum Nachtisch, momentan meist Ananas, aber auch Orangen sind hier sehr lecker.
  3. Die Kinder – Spielen und Lernen mit den Kindern hier macht sehr viel Spaß. Am süßesten und am besten drauf sind diejenigen, die noch zur Nursery (Vorschule) gehen, und die sich jeden morgen wieder freuen, wenn wir ankommen. Dann bringen sie uns Tee, mittags essen wir zusammen von einem Teller, spielen manchmal Fußball oder unterhalten uns (mit sehr begrenztem Vokabular auf beiden Seiten). Diejenigen, die schon älter sind, haben teilweise wirklich vielfältige Begabungen: Einer, dessen Mutter an AIDS gestorben ist als er zehn war, hat zum Beispiel von seinen seinem Vater, der Tischler war und fünf Jahre später auch an AIDS gestorben ist, sehr viel gelernt und ist hier nun für alle Reperaturarbeiten zuständig. Ein anderer ist wirklich sprachbegabt und kann ziemlich gut deutsche, französische und auch russische Sätze aussprechen; außerdem habe ich ihm ohne große Probleme das IPA (Lautschrift) beibringen können – eindrucksvoll.
  4. Das Wetter – Das Wetter hier ist ziemlich warm. Meist liegen die Tageshöchsttemperaturen zwischen 32 und 34 Grad, und die Äquatorsonne hier ist wirklich heiß. Allerdings hält man sich hier kaum in der Sonne auf, und wenn man sich zum Banenenessen auf eine sonnige Mauer setzt, dann wird man bisweilen gefragt, warum man sich denn nicht in den Schatten setzt. Wie schon erwähnt fängt auch langsam die Regenzeit an – dann wacht man morgens um fünf vom lauten Prasseln des Regens auf dem Wellblechdach auf, und freut sich darauf, sich durch lehmigen Matsch zur Arbeit zu kämpfen. Aber bei Regen steht hier das öffentliche Leben still: Leute kommen Stunden zu spät, Kinder gehen nicht in die Schule (es sei denn es stehen Prüfungen an) und es fahren kaum Busse (aufgrund der schlechten Straßen, die teilweise unterspült und/oder unpassierbar sind). Dann kommen wir auch mal zwei, drei Stunden später zur Arbeit.
  5. Andere Deutsche in DSM – Es ist wirklich toll, dass wir noch so viele andere Deutsche in Daressalam kennen. Auf diese Weise lernt man auch viele andere Projekte kennen, und man kann sich auch einfach mal am Wochenende treffen und gemeinsam an einen weit entfernten Strand fahren oder in die Innenstadt oder abends zusammen ein Bier trinken gehen. Es ist wirklich interessant, wie unterschiedlich die Projekte sind: Während unseres das wohl afrikanischste, aber auch liberalste ist (soll heißen: nie ist Geld da, alles ein wenig kaputt und unkoordiniert, aber wir haben sehr großen Gestaltungsspielraum), sind andere Projekte teilweise von anderen Ländern und/oder Kirchen finanziert und streng religiös bzw. hierarchisch geführt. Auch spielt das Alter bzw. die Zusammensetzung der Kinder immer eine große Rolle.
  6. Andere Volunteers im Projekt – Es ist wirklich gut, dass wir nicht nur zu zweit im Projekt sind. Während fast der gesamten Zeit wird auch noch Marisa hier sein, die aus Flensburg kommt, außerdem sind gestern zwei neue dänische Volunteers gekommen, die drei Monate bleiben. Somit sind wir nun zu fünft hier, plus natürlich noch die afrikanischen Volunteers. Das nächste große Projekt, dass wir uns vorgenommen haben, ist, eine Regenrinne zu bauen, da man bei den Massen an Regen, die hier bisweilen runterkommen, wirklich eine Menge Wasser gewinnen kann. Und da ist natürlich jede zusätzliche Hand nützlich.
  7. Unser Zuhause – Mittlerweile bin ich richtig gerne zu Hause. Mein Zimmer ist eingerichtet, ich war vor ein paar Tagen in der Stadt und habe zwei Romane erstanden (weil das, was ich an Trivialliteratur mitgenommen habe, schon längst ausgelesen ist), und Huruma ist wirklich ein super Typ. Es macht Spaß, einfach mal mit ihm Abends nach Kimara zu fahren: da bezahlt er die Arbeiter, die ihm am Tag geholfen haben, im Anschluss kaufen wir dann vielleicht noch Tomaten – denn seit er mir gesagt hat, dass man Tomaten, Paprika und Gurken sowie Zwiebeln essen kann, auch ohne sie zu kochen, mache ich alle paar Tage Salat. Im Supermarkt in der Stadt habe ich auch eine kleine Flaschen dunklen Balsamico-Essig, importiert aus Italien, gefunden.

Fast erschreckend hingegen ist, wie sehr man sich daran gewöhnt, in Afrika zu leben. Man wundert sich schon nicht mal mehr, wenn man von lauter wildfremden Leuten auf der Straße angesprochen wird, wenn man in übervollen Bussen fährt, wenn man mit Händen isst oder man mit Leuten einige Worte Kiswahili wechselt. Ein bisschen schade ist das, finde ich, denn es gibt so viel interessantes hier, dass man es eigentlich mehr wertschätzen müsste – andererseits kann man aber nicht laufend mit vor Staunen offenstehendem Mund herumlaufen...


Malaria

3. Dezember 2008

Jetzt bin ich wohl so richtig in Tansania angekommen: Ich lag letzte Woche mit einer Malaria im Bett. Jonathan und Godi hatten sich schon am Dienstag morgen zum Arzt geschleppt, weil es ihnen beiden nicht gut ging und hatten auch beide Malaria. Ich hatte leichten Schnupfen am Dienstag Abend, habe Fieber gemessen (36.5°C) und bin schlafen gegangen, habe die Nacht nicht gut geschlafen und bin morgens mit 39.5°C Fieber, Schüttelfrost und heftigen Kopfschmerzen aufgewacht und konnte kaum stehen bzw. gehen.

Der Arzt, bei dem ich nur wenige Minuten warten musste, hat mich nach meinen Symptomen gefragt und dann einen Tropfen Blut aus der Fingerkuppe zur Untersuchung entnommen. Zwanzig Minuten später stand dann die Diagnose fest: Malaria, mbaya sana (sehr schlimm). Malaria wird hier danach klassifiziert, wie viele Parasiten man hat, wobei aber mehr nicht gleich schlechter heißt, und jeder hat irgend eine andere Meinung darüber, was nun am schlimmsten ist. Ich hatte in diesem Klassifizierungssystem auf jeden Fall vier Parasiten, Jonathan hatte am Tag vorher zwei.

Ich habe dann für den Arztbesuch und Medikamente (Paracetamol und Coartem 20/120) insgesamt etwas weniger als 15000 Tshs (weniger als 10€) bezahlt, wobei Jonathan noch deutlich günstiger weggekommen ist, dafür aber auch länger warten musste.

Der Tag war dann nicht schön – ich konnte kaum geradeaus laufen, hatte unglaubliche Kopfschmerzen, habe in der Nacht zweimal meine kompletten Klammotten und das gesamte Bettzeug durchgeschwitzt und hatte Tagsüber teilweise über 40° Fieber. Die Tage danach waren okay, nur dass ich mir auch noch eine Erkältung eingefangen hatte, so dass ich vier ganze Tage zu Hause war und ich mittlerweile wieder gesund, aber noch nicht vollkommen fit bin.


Weihnachten und ein Rückblick auf drei Monate

5. Januar 2009

Ich habe lange nichts mehr von mir hören lassen und entschuldige mich dafür. Die Internet-Cafes sind – wie vielleicht schon mal erwähnt – äußerst langsam und meist mit wirklich schlechten Computern ausgestattet, so dass das Surfen gar keinen und das E-Mails-Schreiben fast keinen Spaß macht. (Falls mir jemand auf seine E-Mail keine Antwort erhalten hat – das tut mir Leid! Ich bin hier so selten im Internet, dass ich sogar nicht mitbekommen habe, dass meine Domain ausgelaufen ist, so dass meine Seite nun ein paar Tage nicht erreichbar war.) Bei Friends of Don Bosco besteht zwar prinzipiell die Möglichkeit etwas zu schreiben, praktisch aber kommt man sehr selten dazu. Denn wenn man schon da ist, macht es viel mehr Spaß etwas mit den Leuten dort zu machen als alleine vor dem Computer zu sitzen – ganz abgesehen davon, dass dann ständig jemand zuguckt und an einem rumzuppelt und fragt was man macht. In dieser Hinsicht ist es tatsächlich schade, dass ich keinen Laptop mitgenommen habe, denn dann könnte ich, wann und wo ich will, in Ruhe schreiben; und auch wenn mir die ganze Musik auf meinem Laptop fehlt, so finde ich es insgesamt gesehen doch immer noch besser, ihn nicht mitgenommen zu haben.

Weihnachten ist vorbei! – Nicht, dass man das Weihnachtsfest hier auch nur annähernd mit mittel- bzw. nordeuropäischer Weihnacht vergleichen kann, aber da ich mir nicht so viel aus Weihnachten mache hat mir das hier recht gut gefallen. Die Tansanier feiern nicht Heiligabend, sondern wie zum Beispiel in den U.S.A. auch, den Morgen des 25. Dezembers. Daher haben Jonathan und ich Marisa und die beiden Dänninen Heiligabend zu uns eingeladen, um europäische Weihnachten zu feiern, und waren am 25. morgens bei FDB. Wir habe uns wirklich Mühe gegeben ein Weihnachtsfestessen zu kochen, wenn auch mit den üblichen Improvisationen: Reis und Ratatouille (ohne Zucchini, da nicht erhältlich), Würstchen mit Kartoffelsalat (mit weichkochenden Kartoffeln, da nur die erhältlich waren), zum Nachtisch Milchreis (normaler Reis, da es keinen Rundkornreis gab) mit Zimt und Zucker und ein Fruchtsalat (an dem nichts fehlte: Zwei Ananans, Bananen, Mangos, Äpfel und Passionsfrucht). Die Haupt-Improvisation war im Übrigen, dass der Strom von ca. sieben bis neun Uhr abends ausfiel, so dass wir das meiste auf einem mit Lampenöl betriebenen Kocher auf dem Boden der Küche kochen mussten. Das Essen hat aber überragend gut geschmeckt! – Eine Art von Bescherung haben wir dann vor dem Milchreis gemacht. Und jetzt haben wir eine Pfeffermühle, dank meiner Eltern, die drei Geschenke (in weiser Voraussicht schon fertig eingepackt, weil es hier kein Geschenkpapier gibt) für Huruma und Godi per Paket geschickt hatten.

Der Abend ging noch bis fünf, so dass wir leider nicht ganz früh am Morgen im Center sein konnten. Aber an dem Tag waren alle gut drauf: Evans hatte seine Stereo-Anlage mitgebracht und hat freudig getanzt, einige der Kinder haben neue Anziehsachen bekommen (was mich besonders gefreut hat, weil einige der kleineren das wirklich nötig haben) und es gab ein regelrechtes Festessen (gewürzten Reis, pilau genannt, mit Fleisch). Den Nachmittag und Abend haben dann die Kinder mit Fernsehen verbracht, weil Evans auch seinen DVD-Player von zu Hause mitgebracht hatte.

Das alles hatte aber (abgesehen von dem chinesischen Plastik-Weihnachts-Kitsch) wirklich wenig mit mitteleuropäischen Weihnachten zu tun, bei sommerlichen Temperaturen irgendwo zwischen 25 und 32 Grad (es gibt keine Thermometer hier, man kann sich nur per BBC-Frühstücksfernsehen über die Temperaturen hier informieren). Das weihnachtlichste war, als Jonathan und ich am zweiten Weihnachtsfeiertag schwarzen Tee getrunken und dazu den Rest des selbstgebackenen Stollens, den meine Eltern auch geschickt hatten, gegessen haben. Aber wie schon gesagt – es hat mir gefallen, mal nicht diese ganze Weihnachtsvorbereitungszeit durchmachen zu müssen.

Bei FDB ist diese Tage nicht viel los. Genau wie viele andere Länder mit heißen Klima (wie zum Beispiel auch Griechenland) sind die Sommerferien besonders lang, nur dass in Tansania nunmal der Winter die mit dem Sommer auf der Nordhalbkugel vergleichbare Jahreszeit ist. Die Schule hört hier irgendwann zwischen Anfang und Mitte November auf, und beginnt wieder Mitte Januar. Viele der Kinder und Jugendlichen, die noch ein Elternteil oder andere guidance persons (so wie Onkels, Tanten oder Großmütter) haben sind daher momentan nicht bei FDB und kommen erst im neuen Jahr wieder. Dafür sind einige neue Gesichter anzutreffen, die in der langen Ferienzeit von ihren Boarding-Schools aus Iringa oder Arusha zurückkommen.

Jonathan und ich haben die Regenrinne fast fertig gebaut, mittlerweile an beiden Seiten des Gebäudes. Während wir auf der Vorderseite noch viel haben experimentieren müssen, und z. B. den Holzschutzanstrich erst nach dem Annageln der Bretter aufgetragen haben, waren wir auf der Hinterseite des Gebäudes schon schlauer. Allerdings war das Anbringen auch schwieriger, weil unsere selbstgebaute Leiter zu kurz war (und wir nur eine hatten), so dass wir die Bretter kopfüber liegend an die Dachsparren hämmern mussten. Sieht dafür aber ganz gut aus jetzt (wenn man bedenkt wie schief das Dach ist).



Es ist aber sehr schwierig, detailliert über das Projekt hier zu berichten. Das liegt vor allem daran, dass hier der Großteil aller Aktivitäten ziemlich ungeplant abläuft. Da es keinen festen Sponsor und keine fest angestellten Mitarbeiter gibt und es ständig an Geld mangelt, verläuft ein Großteil der Aktivitäten hier typisch afrikanisch uneffizient. Wir als europäische Volunteers bemühen uns auch sehr darum, eine Art von Struktur zu schaffen, aber das nimmt natürlich viel Zeit und Kraft in Anspruch. Die Arbeit macht zum großteil Spaß, ist aber auch wirklich sehr anstrengend. Ich will aber trotzdem zwei Ereignisse der vergangenen zwei Monate erläutern:

Wir haben nun eine Sickergrube. Während das gesamte Center bis vor ca. zwei Monaten "Naturtoiletten" benutzt hat, haben wir nun gekachelte sanitäre Einrichtung (mit Wassereimern). Der eigens für diesen Zweck gebaute Auffangtank war aber nach einem Monat voll, und da Evans meinte, immer einen Abpumpwagen zu rufen sei auf Dauer zu teuer, hat er mit den Leuten gesprochen, die die Toiletten gestiftet haben, und diese besaßen wiederum die Großzügigkeit, auch noch Geld für eine Sickergrube zur Verfügung zu stellen. Aber auch hier mangelte es an Kommunikation zwischen den Leuten: Am Tag bevor der Bau der Sickergrube gestartet wurde, war die National Bank of Africa hier und hat 200 kg Maismehr, Reis und Zucker gespendet sowie eine Million Tshs (etwas mehr als 600 €). Als dann die Sickergrube gebaut wurde, und wir bei der Kalkulation des Preises geholfen haben (der sich auf fast genau eine Million belief) dachten wir, dass das gerade gespendete Geld für eine (in unseren Augen unsinnige) Sickergrube investiert wird. Erst als wir Evans zwei Tage später getroffen haben konnte er uns erzählen, dass die Million für die Sickergrube von anderen Leuten bereitgestellt wird. Dies ist nur ein Beispiel, aber in vielen Geld- und Organisationsdingen läuft es hier genau so ab. Evans weiß viel, ist aber fast nie da (und wenn meist am telefonieren oder unterrichten), die meisten anderen Mitarbeiter wissen fast nichts. In einem Meeting Ende des Jahres haben wir aber versucht dieses Schema ein bisschen aufzubrechen, indem wir "Departments" bilden, die sich mit ihren jeweiligen Aufgaben beschäftigen und quasi exekutive Macht haben.

Dem Center wird es bald besser gehen. Es klingt fast zu gut um wahr zu sein, aber an einem Tag kam ein gewisser Barry zu uns. Ich habe mich nur kurz mit ihm unterhalten können, aber er ist im Wirtschaftsrecht in UK tätig und gehört da anscheinend zur oberen Liga. Er hat Geld, und hat – was noch wesentlich wichtiger ist – Freunde, die auch Geld haben aber nicht wissen, wo sie das Geld sicher zum Helfen einsetzen können. Über eine afrikanische Kollegin, die in Tansania arbeitet, hat er von FDB gehört, und ist – nur um sich das Center einen Tag anzugucken – über ein Wochenende nach Dar geflogen. – Seine Pläne sind hochgestochen, aber wo so viel Geld ist glaube ich nicht, dass solche Versprechen im Sand verlaufen. Geplant ist, eine richtige Küche zu bauen (damit wir nicht mehr über Holzfeuer kochen müssen), neue Schlafräume für die Jungs und Mädchen (so dass die Kinder nicht mehr zu zweit oder dritt in einem Bett schlafen müssen), ein richtiger Zaun (damit das Center mehr abgegrenzt ist und nicht wildfremde Leute nachts über das Gelände laufen und alles mitnehmen können was nicht niet- und nagelfest ist) sowie diverse Renovationsarbeiten. Man darf hoffen!

Auf besorgte Nachfrage von Muttern – ja, während fast alle anderen Deutschen die ich kenne hier in Dar es Salaam und in Kenia schon auf die eine oder andere Weise ausgeraubt wurden (Alex und Sarah wurde auf der Reise nach Kenia von bewaffneten Dieben überfallen; außerdem diverse Handydiebstähle, sogar Jonathans Handy wurde vorgestern Nacht auf der Busfahrt nach Hause gestohlen) ist mir noch nichts passiert. Nicht mal von einem vereitelten Diebstahl oder einer Schlägerei kann ich erzählen! Andererseits bin ich auch schon seit drei Monaten in dieser Stadt und habe noch keine einzige Reise unternommen, auf denen man (weil für einen reichen Touristen gehalten) bestimmt viel mehr ins Visier von Dieben gerät.

Da ich mich nun schon sehr hier eingelebt habe, fällt es fast schon ein wenig schwer, Abstand zu nehmen und zu beschreiben was euch interessieren würde. Daher würde ich mich über Fragen von euch freuen, so dass ich vielleicht bald einen längeren Frage-Antwort-Artikel schreiben kann.


Ferien in Morogoro, ein Diebstahl und eine Hochzeit

21. Januar 2009

Endlich, endlich – habe ich mal Ferien hier gemacht. Ich habe die Stadt Dar es Salaam für mehr als drei Monate nicht einmal verlassen, von daher war es höchste Zeit, mal Ferien zu machen. Marisa hatte eine Freundin zu Besuch, Rosa, die vor einem Jahr in Ghana in einem Waisenhaus gearbeitet hatte, und in der Prüfungsvorbereitungszeit für fast drei Wochen nach Tansania gekommen ist. Die beiden sind vorher auch auf Sansibar gewesen, aber zusammen hatten wir einen Trip nach Morogoro geplant.

Morogoro ist eine recht kleine und verschlafene Stadt (200.000 Einwohner), knapp 180km westlich von Dar und umgeben von Bergen. Da sich quasi unser ganzes Leben in Dar an der Morogoro-Road abspielt (alle Häuser der anderen Deutschen sind über die Straße zu erreichen, und auch FDB liegt direkt an der Straße) war es doppelt interessant mal zu sehen, wie Morogoro denn so ist. Morogoro hat zwar nicht so viel zu bieten, aber für einen Fünf-Tage-Kurzurlaub war es perfekt. Schon der Blick nach Süden aus der Stadt ist super:


Der Urlaub fing auch gleich gut an: Nicht nur fanden wir einen Bus für günstiger als erwartet, auch war das Hotel (zumindest in meinen Augen) besser als erwartet für den Preis (9000/= bzw. 5,50€ für ein Doppelzimmer mit Dusche/WC auf dem Flur und einem echt guten Frühstück morgens). Außerdem rief mittags Joshi an und kündigte an, ein Paket mit vielen CDs und einem Discman zu schicken – wie perfekt!

Am Abend trafen wir dann im Hotel eine Dänin und eine Belgierin, die in Uganda drei Monate in einer Schule gearbeitet hatten und nun ein paar Wochen Tansania bereisen wollten. Da sie (im Gegensatz zu uns) eher wenig Plan von den Gegebenheiten der Stadt hatten und sie sehr nett waren, haben wir sie direkt eingeladen, bei der Wanderung am nächsten Morgen teilzunehmen. – Um der Mittagssonne zu entgehen sind wir um viertel vor sechs morgens aufgestanden und konnten um 6:10 pünktlich aufbrechen in die Berge. Fantastisch, mal wieder richtig in der Natur zu sein! Wir hatten uns extra eine einfache Route ausgesucht, die wir auch (obwohl es nicht angeraten wird) ohne Führer gehen konnten. Nach ca. drei Stunden Anstieg waren wir dann am Ziel, der "Morningsite", einem alten Wohnsitz der deutschen Kolonialherren auf etwas über 1000 Meter Höhe.


Und so schön es da auch war – Bergbäche mit klarem, kaltem Wasser, Felder mit Möhren, Radischen und Salat, viele Bananenstauden – man merkt doch direkt, dass man in einem echt armen Land lebt: Auf den letzten Metern des Weges begleitete uns ein kleiner Junge, mit dem ich mich später ein bisschen unterhielt. Er ist zehn Jahre alt, noch nie zur Schule gegangen und war erst ein Mal in seinem Leben in der Stadt, die man locker in zwei Stunden Abstieg erreichen kann. Das muss man sich mal vorstellen! Auf eine gewisse Weise ein beneidenswertes Leben, wenn man nichts anderes kennt...

Am zweiten Tag haben wollten wir dann wieder auf eigene Faust eine Tour unternehmen, aber als wir durch ein Dorf am Fuß des Berges gingen mussten wir einen sog. Village Development Fee zahlen, um weiterzugehen. Für das Geld (ca. 2€ pP) haben wir dann aber auch einen Führer bekommen, der uns den Weg (der etwas schwieriger war als der erste) gut gezeigt hat.

Den Rest der Zeit in Morogoro haben wir entspannt verbracht: Gut essen gehen, auf dem Markt schlendern (der wesentlich weniger anstrengend als das hiesige Marktviertel, Kariakoo, ist) und schwimmen gehen (im – nach Deutschen Standard echt dreckigen – Pool eines Hotels in der Nähe). Entspannung pur!

Doch, wie so oft – alles Gute scheint hier nur so, und so kamen wir nach Hause, nur um Godi und Hurumas Freundin vorzufinden, wie sie gerade einen neuen Fernseher auspackten. Ich konnte es erst nicht glauben, aber in der Nacht nach unserer Abfahrt hatten Diebe die Vordertür (die mit Metallgitter, Vorhängeschloss, normalem Schloss und Bolzen gesichert ist) aufgebrochen – und alles mitgenommen, was sich verkaufen lässt. Das waren nicht nur der Fernseher, das Dolby-Dorround-System, der DVD-Player, ein fast defekter Wasserkocher und der Stromstabilisator (ohne den der Kühlschrank nicht funktioniert), sondern auch zwei Packungen Spaghetti, fünf Kilogramm Zucker, und – zu meinem besonderen Ärgernis! – die Pfeffermühle, die meine Eltern zu Weihnachten geschickt haben, die Salami, die mir Rosa aus Deutschland mitgebracht hatte, und meine Mappe mit meinen 20 Lieblings-CDs und -DVDs, alles Originale. So ein Mist! Wer will denn in Tansania deutsche Rap-CDs kaufen?! Sehr blöde also, vor allem ob der Ankündigung des Discmans. Da hätte ich mir ja lieber meinen Reisepass klauen lassen, der ist ersetzbar und an dem habe ich nicht so gehangen. Die Diebe haben sich aber auf Wohnzimmer und Küche beschränkt, daher sind andere Wertsachen, Dokumente und Kleidung noch da. Mittlerweile haben wir alles ersetzbare neu gekauft, die elektronischen Geräte sind besser als vorher, und die Türen verstärkt.

Dieses Wochenende sind Jonathan und ich dann recht spontan mit Huruma zu einer Hochzeit in der Nähe des Kilimanjaro gefahren. Zehn Stunden Fahrt in einem der viel zu engen Dallas, aber dann waren wir da, auf einem der Pare-Berge, wo die Wapare, die Pare-Stammesangehörigen, die neben Kiswahili auch Kipare sprechen, wohnen. Ich wusste vorher, dass es kalt werden würde, und habe deshalb vorsichtshalber einen Pullover eingepackt. – Aber wie kalt es tatsächlich war! Ist wirklich schwierig abzuschätzen, da ich ja direkt aus dem Hochsommer da hin bin, aber ich lag abends mit Jeans, T-Shirt, Pullover und Socken unter einer Wolldecke und mir war immer noch echt kalt. Also, im Haus drinnen, klar, aber isoliert sind die Häuser hier irgendwo zwischen gar nicht (mit Plexiglasfenstern) und gar nicht (ohne Glas in den Fenstern).


Die Hochzeit selbst war dann recht unspektakulär, da hätte ich mehr erwartet (was aber bei anderen Stämmen auch gut sein kann, speziell in der Stadt): Ich habe dem Gottesdienst nur fünf Minuten beigewohnt und es dann vorgezogen draußen zu warten (weil der Gottesdienst hier wesentlich indoktrinatorischer Abläuft als noch in Deutschland, das kann ich selbst auf einer fremden Sprache nicht ab), habe mich mit ein paar Kinden unterhalten, zwei, drei Worte Kipare gelernt und bin dann nach dem Gottesdienst zusammen mit einem Großteil der Bergbewohner zum Austragungsort der Feierlichkeiten, einem Festzelt vor dem Haus in dem wir übernachtet haben, gewandert. – Vielleicht habe ich es nur nicht mitbekommen, aber so wirklich eine Feierei war das nicht. Es erinnerte viel eher an eine Speisung: Alle Leute (200+) bekamen zu essen, und die gesamte Hochzeit über war eigentlich eine riesige Schlange vor dem Buffet. Es wurde ein bisschen getanzt (von den Familienangehörigen vor allem) und dann, bei Sonnenuntergang, vier Stunden nach Ende der Kirche, war alles so schnell vorbei wie es gekommen war: Das Festzelt wurde abgebaut, der Generator – was für eine Neuerung, da hatte es für 30 Stunden Strom in dem Haus gegeben! – mit einem Jeep zurück in die Stadt am Fuße des Berges gebracht und alle Gäste verschwanden in ihren Häusern. Es gab nicht mal einen Kasten Bier oder ein besonderes Essen für die Familienangehörigen aus Dar es Salaam! Ich freue mich aber schon, mal eine Hochzeit in der Stadt zu erleben.


Die letzten Wochen in Dar waren irgendwie ein bisschen sehr Dritte-Welt-Status-geprägt. Erst gab es kaum noch Benzin in der Stadt, dann gab es häufig stundenlange Stromausfälle (26 Stunden an dem Tag an dem wir zu der Hochzeit fuhren) und jetzt ist das Wasser knapp. Wenn ich das richtig in der Tansanischen Zeitung gelesen habe, dann hat der Wasserversorger bei seinem Zulieferer drei Milliarden Schulden (in Euro ist das ein Betrag in Millionenhöhe) oder es gibt einfach kein Wasser. Man weiß das nicht. – Aber auch in diesem sozialen und demokratischen Staat gelten die Gesetze der freien Marktwirtschaft, und so kostet jetzt ein 20L-Eimer Wasser statt 200/= direkt 500/= (und die Leute stehen Schlange!), und ein Kubikmeter Wasser (den wir in der Regel per Auto zu uns liefern lassen und der dann in unseren Tank gepunmpt wird) kostet auch mehr als 100% mehr als sonst. Im übrigen warten wir auch schon seit einem Tag darauf, dass das Wasser kommt, können also weder duschen, noch abwaschen, Wasser abkochen oder Wäsche waschen (was dringend notwendig wäre, nach so viel Ferien). Besonders hart ist das auch für FDB: Die Kinder müssen bis in den nächsten Stadtteil laufen (Temboni, 10-15 Minuten entfernt), um Wasser zu kaufen. – Und dann die 20L auf dem Kopf zurückschleppen.


Zwischenmeldung

12. Februar 2009

Ja, mir geht es gut. Ich habe das siebentägige Zwischenbereitungsseminar – mein Eindruck: eher langweilig, obwohl es eine gute Möglichkeit bat, sich mal intensiv mit den anderen Deutschen hier in Tanzania auszutauschen – hinter mich gebracht, aber da hat sich dann natürlich die Arbeit im Projekt aufgestaut, wo momentan einiges passiert. Ich möchte das gerne recht detailiert erläutern, daher wird das erst in den nächsten Tagen folgen.

Ich wurde immer noch nicht überfallen oder ausgeraubt, es regnet wieder weniger und wird wieder heißer (jetzt gerade sind es 33 Grad). Letzte Woche habe ich mir ein paar neue Bücher gekauft und lese wieder ein bisschen mehr (ich habe jetzt bestimmt drei Wochen keinen Film mehr geschaut). Ansonsten höre ich die beiden gebrannten Musik-CDs, die ich hier auftreiben konnte (– und warte auf weitere, die bald per Paket von Joshi kommen, hoffentlich) und bin viel bei der Arbeit oder mit Afrikanern unterwegs.

Ich wünsche meinen Eltern alles Gute zu ihrem Geburtstag am heutigen Tage! Feiert schön!


Ein neues Haus, dann doch nicht, dann doch wieder... und eine Menge Arbeit

13. Februar 2009

Ich will, wie schon angekündigt, mal die aktuelle Situation im Projekt zusammenfassen, denn es tut sich einiges. Seit Anfang des Jahres ist das Durchschnittsalter bei FDB deutlich gesunken: Nicht nur sind einige der Älteren auf Boarding-Schools zurück, auch haben wir sieben kleine Kinder (4–6 Jahre) bei uns aufgenommen, die vom Tansanischen Ministry of Social Welfare gesendet wurden. Damit ist der ehemals kleinste hier einer der "Großen", weil er schon in die richtige Schule geht. Außerdem gibt es zwei, drei weitere Neuzugänge, die aber schon älter sind. Einer der neuen Jungs (ich glaube er ist zehn) ist unter einem Reisebus hängend nach Daressalaam gekommen – heftig.

Andererseits ist nun Jackson, der ehemals zweitkleinste hier, noch immer nicht vom Weihachtsbesuch bei seiner Mutter wiedergekehrt, und das, obwohl er eigentlich Anfang Januar wiederkommen und dann Mitte Januar die Schule beginnen wollte. Evans hat sich ein bisschen darum bemüht, herauszufinden, was mit ihm passiert ist, – aber das ist schwierig, wenn das zuständige Ministerium keine Lust hat das zu untersuchen (warum auch – ist doch nur ein Kind?! –) und die Mutter kein Telefon besitzt und in der Zwischenzeit "unbekannt verzogen" ist (also sich nicht mehr an dem Platz aufhält, wo sie sonst zu finden ist). Sehr schade, weil er echt eine Bereicherung für den Alltag bei FDB war! Ich hoffe, dass er bald zurückkommt oder dass es ihm zumindest gut geht und er zur Schule gehen kann.

Viel passiert hier! Und – wie leider so oft hier, was wirklich schade ist! – arbeiten hier ein dutzend Leute unglaublich engagiert aber völlig planlos. Ich will das gerne mal darstellen wie so was läuft:

Evans war bei Resolute Tanzania Ltd. eingeladen (die selben, die am Anfang dieses Jahres das Essen veranstaltet hatten, momentan einen Großteil der Schulgebühren zahlen, die Pre-Form-One-Halle gebaut haben und das Center wirklich sehr unterstützen) und hat Jonathan und mich gebeten, ihn zu begleiten. Auf die Frage, worum es denn genau gehe, war wenig Konkretes zu hören, aber es ging natürlich um Schulgeld (weil es gerade eine Woche nach Beginn der Schule war und die Mahnungen telefonisch hereinkamen und den nicht zahlenden Kindern von FDB teilweise mit Rauswurf gedroht wurde).

Also kamen wir im Büro von Don, dem Chef, an. Und ab dann wurde es echt peinlich: Evans reichte Don die Liste der Schüler – in Word geschrieben, Vor- und Nachname und das zu zahlende Schulgeld, und nach Klassenstufe aufgeteilt. Wäre kein Problem gewesen, wenn die Liste nicht falsch (weil noch andere Klassenstufen als die besprochenen abgedruckt waren) und unvollständig gewesen wäre, und daher handschriftlich aus dem Gedächtnis mit Namen und geratene Schulgeldpreise ergänzt worden war.

Aber das war Evans sogar schon auf dem Weg zum Meeting bewusst, weshalb er einen der Älteren bei FDB mit dem Korrekturauftrag ins Internetcafe schickte. – Immer noch besser als wenn einem das während des Meetings einfällt, was ja auch seit Tagen geplant war!

Da waren wir nun, in einer (wie Jonathan und ich fanden) schon ziemlich peinlichen Situation, auch, als dann die versprochene Mail ankam, aber keinen Anhang enthielt. Wärend wir also da so saßen, erzählte Don nebenbei (und ich glaube immer noch nicht, dass Evans die Tragweite der Situation verstanden hatte), dass er nur knapp dem seizing of all office assets (Beschlagnahmung aller finanziell relevanten Dokumente der Firma) durch die TRA (Tansanische Steuerbehörde) am Morgen durch eine außergerichtliche Einigung auf Aufschiebung entgehen konnte – welche nicht zuletzt notwendig war, weil ihm die Daten, wie viel Geld er an welche Schule für FDB überweisen solle, nicht bekannt waren – weil Evans das über die Wochen immer wieder verschleppt hatte. Mit ein bisschen besserer Organisation hätte man also die Millionen, die sicherlich für den juristischen Beistand der Firma geflossen sind, verringern können.

Mittlerweile war dann die neue Version der Liste angekommen, aber auch mit der konnte man in dieser Situation herzlich wenig anfangen. Sie war zumindest auf den ersten Blick vollständig (was sich später aber als falsch herausstellte), so dass man zumindest mit einem ungefähren Total-Wert rechnen konnte, aber weder waren die Bankverbindungen der Schulen aufgelistet, noch ließen sich die Schüler nach der Schule, die sie besuchen, sortieren (weil es nunmal eine Tabelle in einem Word-Dokument war und nicht, wie man das vernünftigerweise machen würde, eine Excel-Tabelle.

Bis dahin war uns nicht wirklich bewusst gewesen, wie unprofessionell und unorganisiert FDB nach außen hin wirkte! Also haben wir in dem Meeting das Ruder ein bisschen in die Hand genommen und Don versprochen, dass wir, sobald wir wieder bei FDB angekommen wären, eine neue Liste erstellen würden – da wir schon genau wussten, was er wollte.

Gesagt, getan, und abends konnte dann Jonathan die Liste schicken. Aber noch während er im Internet-Cafe war, kam noch ein Anruf, dass man noch einen Schüler vergessen hätte, der dann natürlich noch hinzugefügt werden musste. Dann musste die Kalkulation noch einmal geschickt werden. Jetzt aber haben wir die Schulgebühren für das aktuelle Jahr zusammen, zum Glück!

Ein weiteres Beispiel für echt schlechte Organisation bot sich, als Barry (von dem ich schon berichtete) ein zweites Mal aus England kam. Nicht nur haben wir erst am Abend davor davon erfahren. Auch lief anscheinend schon einiges an Planung im Hintergrund ab, von der wir aber nichts wussten. Barry kam mit seinem Freund Paul, der ein recht wohlhabender Bauunternehmer (wieder mit reichen Freunden) zu sein scheint. Und dann ging die Planung für die Verbesserung der Lokalitäten von FDB los. Das ganze Geläde wird eingezäunt (und zwar sicher), auf dem ganzen Geläde Lampen, damit es abends hell ist, das Haupthaus wird renoviert, das Dach erneuert, anstatt der Pre-Form-One-Hall wird ein neues Haus mit Schlafräumen für die Jungs, Duschen und Aufenthaltsraum gebaut, FDB bekommt einen Generator (der bei den häufigen Stromausfällen bestimmt 20% der Zeit laufen würde) und eine neue Küche und einen Vorratsraum für Reis, Mehr, Teller und sonstige Kochutensilien.

Das klingt ja zu gut um wahr zu sein!, dachten wir uns. Und mit der kompromisslosigkeit, mit der Barry und Paul da rangegangen sind (Barry: "Wir müssen einen Doktor finden, zu dem die Kinder immer gehen können, wo sie umgehend behandelt werden und die Rechnungen über ein von uns verwaltetes Auslandskonto gezahlt werden") konnten wir uns dann auch gut vorstellen, dass das funktionieren wird. Und selbst wenn nur die Hälfte der Versprechen realisiert würden...

Also habe ich zwei Tage damit verbracht, die Kalkulation für das Bauen der neuen Jungsschlafräume zu erstellen, damit da eine Kalkulation und keine Word-Tabelle mit Werten, die per Taschenrechner ausgerechnet wurden, und vielleicht eine Hunderttausenderstelle zu viel oder zu wenig aufweisen, entsteht.

Und während wir das alles mit Paul besprachen – der für die Zeit des Baus hier in Tansania leben wird, um denselben fachmännisch zu leiten! – kam plötzlich die Idee auf, dass man doch auch direkt ein neues Waisenhaus in Bunju (einem anderen, recht außerhalb gelegenen Teil Daressalams) bauen könnte. Da möchte man doch ausrufen: "Super, das fällt euch jetzt ein?! Da hättet ihr nicht früher drüber nachdenken können oder mal mit allen Staffs besprechen können?!"

Paul und Barry haben sich aus der Diskussion rausgehalten, mit den Worten "We'll do what ever you think best!" – was angesichts der Lage, dass sie ja nur den Willen zu Helfen und das Geld haben, nicht aber die Umstände und Probleme des Centers kennen, auch die richtige Einstellung ist. Aber wir drei Deutschen (und Esther aus Dänemark) hatten begründete Bedenken, dass wir lieber kein zweites Waisenhaus bauen, bevor das erste genügend Geld und Sponsoren hat (zum Beispiel mal für gutes und nahrhaftes Essen). Am Ende konnten wir auch Evans davon überzeugen.

Später stellte sich dann aber heraus, dass Barry die Renovation des Centers und den neuen Hausbau zahlen wolle, und Paul in den kommenden Jahren in Bunju bauen würde. Also bekommen wir endlich Schlafräume, so dass jedes Kind ein eigenes Bett hat! Dann war erst einmal Vorbereitungsseminar.

Doch auch während der Zeit des Vorbereitungsseminars stand die verkorkste Planung nicht still, und so hieß es dann eines Tages per SMS von Marisa, dass wir keine Baugenehmigung erhielten. Da dachte ich mir schon, merkwürdig, so was kann man doch bestimmt durch kleine "Erleichterungszahlungen" an die Beamten regeln, in diesem Land – oder nicht? Die Situation war aber eine andere. Dazu muss ich erst mal das Konzept von Road Reserve erklären.

"Road Reserve" ist ein von der Tansanischen Regierung aufrecht erhaltenes Konzept, was an großen Straßen außerhalb des unmittelbaren Stadtkerns eine Pufferzone links und rechts der Straße einrichtet. Nah am Stadtzentrum sind das nur 20–40 Meter, aber wenn man etwas weiter außerhalb der Stadt ist (wie in Kimara Suca, wo das Haus von FDB ist) beträgt dieser Puffer 100 Meter (manche sagen auch 120 Meter) in beide Richtungen von der Straßenmitte. Diese Pufferzone kann jederzeit kurzfristig von der Regierung dafür verwendet werden, die Straße auszubauen. Mit dieser Pufferzone könnte man also die Morogoro Road, momentan in beide Richtungen einspurig mit Standstreifen, in eine Stadtautobahn wie in Chicago ausbauen – acht, vielleicht zehnspurig in beide Richtungen.

Diese Konzept existier also, und es wird auch angewandt, nur hatte ich das vorher noch nie in Daressalam gesehen, sondern nur auf dem Weg zum Kilimanjaro. Da sind wir dann über eine Straße gefahren, links und rechts der Straße zehn Meter staubiger Sand, und die weiter vorne stehenden Häuser hatten riesige, mit Spraydosen gemalte, blutrote Kreuze auf der Fassade. "Diese Haus wird bald abgerissen", heißt das. Zwar gibt es anscheinend eine Kompension, die scheint aber eher gering auszufallen.

Mit diesem Wissen wird einem auch folgendes klar: Ich habe mich sehr lange gewundert, warum die meißten Läden, Kirchen, und sonstigen Bauten in der Nähe der Straße immer nur aus Holz und verrostetem Wellblech sind, und keine reichen Leute ihre umzäunten Villen an die Straße sondern nur ins Hinterland bauen: Es lohnt sich nicht, da mehr zu investieren! Kann ja sein, dass die tansanische Regierung schon 2010 beschließt, die Morogoro Road zu verbreitern! (Was, im Übrigen, gar nicht so unwahrscheinlich ist, weil es die wichtigste Straße von Daressalam in den Westen des Landes ist.)

Um auf FDB zurück zu kommen: Das Grundstück liegt, wenn vielleicht nicht ganz, dann doch zu mehr als 80% in der Road Reserve Area. "Ach, und das hätte niemand wissen können, bevor wir mit der Planung anfangen?!" – Anscheinend: nein. Schade auch.

Das bedeutet also, dass es kein neues Haus geben wird hier bei FDB. Aber mit Glück bekommen wir den Zaun und die Dachrenovation doch. In Bunju wird nun ziemlich definitiv gebaut werden, und die hochtrabenden Pläne sehen vor, ein Haus in der Nähe des aktuellen Hauses zu kaufen (für 90 Millionen, damit kann man fast 250 Kinder ein Jahr lang in die Secondary School schicken), in dem die Mädchen untergebracht werden sollen; die Jungs werden nach Bunju verlegt; und das aktuelle Center wird in ein Drop-in-Center verwandelt. Über kurz oder lang werden also diejenigen, die schon länger bei FDB sind, in dem Haus respektive in Bunju leben, und die Neuzugänge werden erst mal im aktuellen Haus für eine Zeit leben, sich in das Leben eingewöhnen und später in die Schule geschickt werden.

Aufgrund des Vorfalls bei Don und dem wiederum sehr ehrgeizigen Vorhaben, nun einen Dauerspender zu finden – der also verlässlich jeden Monat Geld für Essen zahlt, oder für andere nötige Dinge, so dass nicht für jedes kleine bisschen Geld neu irgendwo angefragt werden muss – haben Marisa, Jonathan und ich uns zusammengesetzt, um ein für alle Mal "ordentliche" Dokumente zum Vorzeigen zu erstellen: Ein Profil des Centers, eine Kalkulation, wie viel Geld pro Jahr, pro Kind, etc. benötigt wird, sowie eine Tabelle aller Schüler (so dass man die nicht immer aus dem Kopf wissen muss, was bei über 150 Kinden, die von FDB unterstützt werden, echt viel wird).

Diese Dokumente waren schon von Evans in Auftrag gegeben worden, so dass wir eine "Grundlage" hatten. Eine nicht zu gebrauchende Grundlage, leider, aber wirklich. Man stelle sich ein 27-seitiges Word-Dokument vor, Überschriften in Fett und unterstrichen formatiert, Einrückungen mit dutzenden Leerzeichen, Kalkulation mal spalten-, mal zeilenorientiert, manchmal auch irgendwie gar nicht verständlich (und Werte natürlich mit Taschenrechner ausgerechnet). Zudem ist die Struktur selbst für Menschen wie mich, die gut Strukturen erkennen können, echt unverständlich. Ganz zu schweigen von der Sprache – wo ich gerne mal eine Stilblüte präsentieren würde (ist auch nur ein Satz, wirklich, in originaler Schreibweise):

Also FDB conducts or runs the (QT)That is to say Qualifying Test secondary education for two years as the ordinary level certificate of secondary school for in the second year they will have to seat for their Form Four National Examination recognized and conducted bt the Government so as to aquire O'level Secondary education knowlege for the children and youth aged from 13 to 25 who had and have involved workingor employed in bars or luxury places, working as domestic workers,in brothels,living in street with no hope and future.

Und dieses Dokument war fertig zum Absenden an Sponsoren! Jetzt, wo ich hier bin und weiß, was QT ist, ist es zumindest möglich, den Sinn des Satzes zu erraten. QT ist ein Programm, in dem die vier Jahre der Secondary School mit Intensivkursen in zwei Jahren bewältigt werden können; das Programm ist speziell ausgerichtet auf diejenigen Kinder, die aufgrund fehlerhafter Behandlung wie Kinderarbeit, etc. nicht die Möglichkeit hatten, in die Schule zu gehen und dies nun nachholen wollen. Aber wäre ich ein Sponsor – ich hätte dieses Dokument in die Tonne getreten!

Während Jonathan und Marisa sich über die Kalkulation hergemacht haben (sie wesentlich ergänzt, korrigiert, neu strukturiert und professionell layoutet haben) habe ich mich an die Aufgabe gemacht, das Profil neu zu schreiben. Das neu Schreiben ist deshalb wichtig, weil man sonst unausweichlich in die alte Struktur (sofern vorhanden) zurückfällt und leider auch viel des schlechten Englisches kopiert. Also habe ich die wichtigsten Gesichtspunkte herausgesucht (und auch ein paar unwichtige, auf denen Evans aber immer beharrt – niemand weiß, warum) und das ganze neu geschrieben, so dass man einen guten Einblick in das Center und seine Aktivitäten hat, ohne vom Text erschlagen zu werden. – Und: In zumindest verständlichem Englisch, ohne dauernde Wiederholungen oder "afrikanische Stilmittel", wie verschiedene Wörter alternativ im gleichen Satz zu benutzen. Als Beispiel: "The children or youths are living or staying at the house where we care for/support them under any environment or circumstances."

Wenn wir diese Dokumente dann noch mit einem geeigneten Brief versehen (der noch zu schreiben ist), dann wird das einen hoffentlich einigermaßen organisierten und professionellen Eindruck hervorrufen – und mit Glück findet sich ja auch dauerhafter Spender. Auch für euch mag zumindest das Profil interessant sein, daher habe ich eine Kopie davon hier hochgeladen.

Auch haben wir nun eine Liste aller unterstützten Kinder und Jugendlichen, teilweise mit Geburtsdatum, woher sie kommen und auf welche Schule sie gehen. Auch nicht schlecht, sowas zu haben...

Das war nur mal so ein Ausschnitt dessen, was wir hier so machen. Auf dem Vorbereitungsseminar habe ich von anderen Projekten gehört, wo Kinder geschlagen werden, Spendengelder unterschlagen werden und andere schlimme Dinge. Und jedesmal dachte ich: Das könnte hier bei FDB gar nicht passieren! Die haben ja nicht mal Kalkulationen, in denen man irgendwas verschleiern könnte! Die haben ja nicht mal eine Organisationstruktur, die sowas ermöglichen würde! – Ich habe schon recht Glück gehabt, in diesem Projekt zu arbeiten zu können.


Krank

4. März 2009

Ich lag die letzten neun Tage krank zu Hause, jetzt aber geht es mir wieder besser. Das war das erste Mal, dass ich hier wirklich krank war, außer dem einen Mal, wo ich bereits Malaria hatte. Daher will ich euch mal beschreiben, wie das hier so abläuft.

Krank sein macht hier in Tansania nämlich nicht so viel "Spaß" wie in Deutschland, was an mehreren Gründen liegt. Einer ist zum Beispiel, dass Schüttelfrost bei 30 Grad draußen komisch ist; ein anderer, dass man nicht einfach mal, wenn man Lust hat, eine Pizza essen kann; ein dritter, dass man sich nur durch Bücher, Fernsehen und Radio ablenken kann – wobei die letzteren beiden Möglichkeiten wegfallen, weil es kein mich auch nur im geringsten ansprechendes Fernseh- oder Radioprogramm gibt (abgesehen von einer Stunde BBC am Morgen vielleicht). Am meisten hat es mich also gestört, dass ich keinen Laptop mit Musik und Internet hatte – aber so ist das nunmal.

Ich hatte Ende vorletzter Woche für ein paar Tage Husten und leichte Schluckbeschwerden. Während der Husten nach und nach (wie man das so schön euphemistisch nennt) "produktiver" geworden war, waren die Halsschmerzen irgendwann so unangenehm geworden, dass ich zum Arzt gegangen bin.

Zum Arzt zu gehen muss man sich aber anders vorstellen als in Deutschland. Hier in Dar es Salaam gibt es auch einige Krankenhäuser, aber wenn man nur leichte Beschwerden hat, so wie Husten, oder Malaria, dann geht man zu sog. Dispensaries. Das ist sowas wie eine Kombination von Arztpraxis, Aphotheke und Labor, die es in jedem etwas größeren Stadtteil gibt. Manche der Ärzte können Englisch (ich weiß aber nicht, was oder ob man etwas studiert haben muss, um hier als Arzt zu arbeiten, aber ich schätze schon).

Als ich also zum Arzt ging begleitete mich Huruma, der Arzt konnte ein bisschen Englisch, und erklärte mir dann, dass das eine bakterielle Infektion sei – und verschrieb mir einen Hustensaft, nach dessen Einnahme man keine Maschinen mehr bedienen soll und ein Penicillin.

Also nahm ich zwei Tage lang das Penicillin und den Hustensaft, und habe mich auch so gefühlt als wenn ich keine Maschinen operieren wollte, denn ich war wirklich recht drowsy (wie lustig, mir fällt gerade nicht mal die deutsche Entsprechung dieses Wortes ein). Während sich meine Gesundheit am ersten Tag nur verschlechtert hatte, ging sie am zweiten Tag rapide abwärts. Von morgens, wo es mir schlecht ging, bis abends, wo ich höllische Kopfschmerzen und 39.5 Grad Fieber hatte. Mir war recht klar, dass ich offensichtlich auch Malaria haben müsste, denn es fühlte sch genau an wie beim letzten Mal.

Also weder zum Arzt – und was so leicht gesagt klingt, ist eine echt nervige Angelegenheit, vor allem, wenn man Malaria hat. Denn man muss den Weg zum Arzt natürlich im afrikanischen öffentlichen Nahverkehr zurücklegen, und der ist nicht so komfortabel. Da ruckelt's, die Leute drängen einen, wollen einen anreden, der Busfahrer will einen beim Preis bescheißen, all sowas. Und ich brauche etwas mehr als eine halbe Stunde zum Arzt. Das ist keine schöne Zeit, wenn man sich fühlt als ob einem der Kopf bald aufbricht und man kaum noch laufen kann.

Die Diagnose des Arztes war eindeutig, ich las sie später auf meinem "Patientenblatt": ill-looking, BT: 39.5. Wenn jemand krank aussieht, und so hohes Fieber hat (body temperature), dann hat er bestimmt Malaria. Da ich das aber wusste, war ich recht froh, dass er mich nicht noch einmal die Kopf- und Magenschmerzen und das generelle Unwohlsein bestätigen ließ sondern mich direkt zum Testen schickte. – Ich hatte Malaria, ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, welche Stufe im Klassifizierungssystem hier. Im Wartezimmer hatte ich einen der typischen Fieberschübe, bei dem ich letztes Mal einen Anstieg von 0.8 Grad in sieben Minuten hatte, begleitet von Halluzinationen, extremen Schweißausbrüchen und der Unfähigkeit, mich zu bewegen. So richtig konnte ich dem Arzt (der dieses Mal kein Englisch sprach) nicht mitteilen, dass es meinem Hals auch nicht besser ginge. Ich glaube aber er hat mir angesehen, dass es mir echt schlecht ging, und so hat er mir gnädigerweise eine Diclophenac-Injektion verschrieben, die den Restabend zumindest erträglich machte, sogar die Halsschmerzen.

Der nächste Tag: wie im Altersheim, Tabletten statt Essen: Um sechs Uhr morgens aufstehen, die vier gelben Tabletten gegen Malaria. Um 8:30 die beiden Penicillin, zusammen mit Diclophenac und Paracetamol. Ich versuche zu Essen – geht nicht, tut zu weh. Dann Hustensaft. Dann Paracetamol. Mittags wieder zwei Mal Penicillin. Nachmittags Diclophenac und Paracetamol. Abends um sechs wider vier mal die gelben gegen Malaria. Und abends habe ich kaum noch die Paracetamol-Tabletten an meinem geschwollenen Hals vorbeibekommen. Ich konnte fühlen, dass links oberhalb vom Kehlkopf irgendwas angeschwollen war und pochend schmerzte. Während ich erst dachte, dass das vielleicht ein Lymphknoten sein könnte, stellte ein späteres Telefonat mit meinem Vater und ein Fachmännischer Blick von Jonathan klar, dass es eine Mandel war. Jonathan hat sogar mit meiner Kamera und einer Taschenlampe ein Video gemacht, so dass ich den Zustand meines Halses selber inspizieren konnte – nur halbwegs appetitlich.

Ralf veranlasste, dass Norbert mich anrief, der mir ein paar Tips gab, wie ich mich nun verhalten sollte: Eis, kalte Getränke, Penicillin zu Ende nehmen und dann schauen – das einzig gefährliche ist die Malaria. – Malaria ist aber, sobald man die Behandlung angefangen hat, nur höchstens den ersten Tag schlimm, denn die Anti-Malaria-Medikamente, die hier verkauft werden, wirken wirklich zuverlässig.

Also habe ich Eis gegessen (was leider nicht viel geholfen hat, und es hat eklig geschmeckt). Einmal am Tag habe ich, mit Paracetamol getimed, eine Schüssel Reis bzw. Kartoffeln gegessen, sonst nichts. Es ist nicht gut, so wenig zu essen, weil selbst die Packungsbeilage der Anti-Malaria-Medizin explizit sagt, dass der Agent dann besonders gut wirkt, wenn der Patient viel und fettreich isst. Aber ich war einfach nicht in der Lage, wegen der Schmerzen, irgend etwas zu essen.

Als das Penicillin fast fertig war, und sich meine Mandel seit dem nur noch vergrößert hatte und mehr denn je schmerzte, bin ich nachmittags wieder zu der Dispensary gegangen. Der Arzt konnte kein Englisch. Ich konnte aber genug Swahili um ihm zu erklären, dass die Malaria geheilt ist, ich das Penicillin aber schon seit vier Tagen durchnehme und mein Hals seit dem mehr denn je weh tut. Dann hat er mir erklärt, dass ich vermutlich einfach ein Penicillin bekommen hatte, gegen das diese Bakterien immun waren. Als nächstes erklärte er mir dann, dass die Bakterien in so einem Fall das Penicillin wie Kraftfutter essen – ob das so stimmt, weiß ich nicht, aber dass das Penicillin nicht wirksam war, – zu der Schlussfolgerung war ich auch schon gelangt.

Was bietet sich an? Ein anderes Penicillin. Oder, besser: Eine Kombination aus zwei anderen Penicillins. Und damit's auch schön wirkt, die ersten vier Dosen im Abstand von sechs Stunden, intravenös verabreicht. War weniger schlimm als beführchtet: Die Schwester mixte die Injektion aus versiegeltem Trockenpulver mit einer frisch verpackten Spritze und destilliertem Wasser zusammen, und benutzte dann noch eine andere frisch ausgepackte, d. h. sterile Nadel, um mir die in der Spritze gemixte Lösung zu verabreichen. Sie hat auch die Vene sicher gefunden und erst ein bisschen Blut angesogen und das Penicillin auch schön langsam gespritzt. Anfangs war ich etwas besorgt darüber, dass ein wenig Luft im Kolben der Spritze war, aber sie hat sie Spritze so gehalten und nicht ganz geleert, so dass alles okay war.

Für die drei folgenden Injektionen musste ich jeweils wieder zu der Dispensary: Um 21:00 Uhr, 03:00 Uhr nachts und 09:00 morgens. Nachts in Dar es Salaam unterwegs zu sein ist nicht gefährlich, aber entweder man geht zu Fuß, oder man fährt Taxi. Letzeres tat ich, der Taxifahrer kam 35 Minuten nach dem vereinbarten Termin, hat die Verspätung aber durch schnelleres, sicheres Fahren in einem (für tansanische Verhältnisse) echt neuen Auto fast noch wettmachen können. Die Schwester, die mir die Injektion verabreichen sollte, musste ich erst mal wecken – von draußen, rufend. Ich glaube, ich hätte mir so eine Injektion auch selber verabreichen können, aber das hätte die Dispensary sicherlich nicht gern gesehen, weil ja was schief gehen könnte oder so.

Auf jeden Fall geht es mir, seit ich das neue Antibiotikum bekomme (und mittlerweile in Tablettenform weiternehme) wesentlich besser, meine Mandel ist wieder so abgeschwollen, dass ich wieder fast problemlos essen kann. Ich bin immer noch sehr müde und schwach, aber das wird sich hoffentlich die kommenden Tage legen. Aber schon kommt das nächste "Problem": "Kind, Du musst nach so vielen Antibiotika deine Magenschleimhaut wieder aufbauen!" Na, mal schauen, ob ich hier irgendwo Joghurt finde...

Ich will noch ein bisschen erzählen von Diagnosen und Medikamenten in diesen Dispensaries. Ich kann natürlich nur subjektiv das schildern, was ich erlebt habe, und es kann gut sein, dass ich mich in den Schlussfolgerungen vertue. Aber ich versuche es mal: Es gibt eine Liste der World Health Organisation (WHO), auf der über hundert Medikamente stehen, die in jedem Land der Welt zu günstigen Preisen erhältlich sein sollen (also für "jeden Menschen", wie das immer formuliert wird, "zugänglich" sein). Darauf stehen diverse Antibiotika, leichte und starke Schmerzmittel, Antimalaria-Medikamente und viele mehr, ich habe die Liste nie komplett gelesen. Das bewirkt, dass diese Medikamente in diesem Land Tansania, was wirklich sehr arm ist, besonders günstig erhältlich sind. Die Behandlung einer Malaria kostet hier teilweise inklusive Arzt- und Labor-Kosten und Medikamente weniger als ein Teller Reis mit Fleisch und eine Flasche Bier am Straßenrand, so ca. 2,50 EUR. – Logischerweise sind diese Medikamente auf der Liste alle sehr wirkungsvoll, denn niemand braucht Homöopathie in diesem Land. Daher fallen Diagnosen auch recht simpel aus: Wenn es nicht Malaria ist (was es oft ist) und nicht eindeutig eine Viruserkrankung ist, dann sind es Bakterien. Und Bakterien besiegt man mit Antibiotika. Auf diese Weise wird die tatsächliche Diagnose einer Krankheit überflüssig, weil man sie so oder so mit einem Antibiotikum behandeln wird, denn Antibiotika sind hier so unnatürlich günstig. (Das Antibiotikum, was ich gerade nehme, hat weniger als fünf Euro gekostet: inklusive der vier Injektionen.) Auch deshalb macht krank sein hier nicht so viel Spaß.

Gerade die letzten Tage hatte ich ein bisschen Ziet, mich auszuruhen und in Ruhe zu lesen. Besonders schön ist es, wenn Sonntags nachmittags (fast jede Woche zuverlässig) der Strom für ein oder zwei Stunden ausfällt. Dann ist es wirklich ruhig. Ich habe, während ich krank war, neben anderen Büchern, die ich nebenbei und wieder gelesen habe, zwei Ian Rankins gelsen, Iain Banks' Dead Air, Orwells Mein Katalonien und The Autobiography of Malcom X. Überhaupt lese ich viel hier. Ich habe bald einen ganzen Meter Bücher gelesen (weil mein einen Meter breites Regal fast voll ist). Ich weiß noch nicht, wie ich die ganzen Bücher wieder nach Hause bekomme.


Kiswahili

12. März 2009

Halbwissen. — Der, welcher eine fremde Sprache wenig spricht, hat mehr Freude daran, als Der, welcher sie gut spricht. Das Vergnügen ist bei den Halbwissenden.

—Friedrich Nietzsche

Was mir in den Monaten vor meinem Auslandsjahr nicht so wirklich klar war, sich aber ultimativ bestätigt hat, als ich hier angekommen bin, ist die Tatsache, dass die Landessprache hier wirklich Swahili ist, und Englisch zwar Gerichtssprache ist, aber sonst außerhalb von Touristenattraktionen nicht verwendet wird. Ich war mit der Erwartung in dieses Jahr gegangen, dass ich gerne etwas Swahili lernen wollte, aber ich war mir recht sicher, dass man gut mit Englisch in diesem Land zurecht kommt.

Weit gefehlt! – Wenn ich jetzt darüber nachdenke, was ich hätte anders machen sollen, dann hätte ich schon vorher Swahili gelernt, und zwar viel. Man kommt in diesem Land mit Englisch wirklich nicht weit. Ab und zu wird man auf der Straße von Leuten angesprochen, die mal wieder ihr Englisch ausprobieren wollen, oder von vorbeilaufenden Schülern begrüßt, die dann auf die Frage ...and how are you? mit einem auswendig gelernten fine, thank you, teacher! antworten.

Aber das Englisch der Leute, die etwas auf ihre Englischkenntnisse geben (zum Beispiel Englisch-Lehrer, oder Lehrer überhaupt, weil der Unterricht ja auf Englisch stattfindet) ist bestenfalls unterirdisch. Mein Englisch verbessert sich in diesem Land leider keinesfalls durchs sprechen, höchstens dadurch, dass ich hier viele englische Bücher lesen. Im Gegenteil, mein Englisch verschlechtert sich in Bereichen sogar, denn es gibt gewisse Fehler, die hier vom Großteil der Leute gemacht werden, die in der Lage sind, Englisch zu sprechen, die man nach einer Weile einfach auch annimmt, weil die Leute einen sonst einfach nicht verstehen. Wenn ich hier versuche, mich gewählt auszudrücken und nicht abgehackt und mit einfachem Vokabular spreche, versteht mich der Großteil der Leute nicht.

Wie gesagt bin ich mit der Erwartung in dieses Land gekommen, dass Englisch neben Swahili Landessprache ist. Mir ist aber direkt am ersten Tag klar geworden, dass ich schnell Swahili lernen muss, weil hier wirklich alles auf Swahili ist und der größere Teil der Leute, mit denen man so den Tag über zu tun hat, kein Englisch können (oder so wenig, dass es nicht für eine Konversation reicht).

Swahili, was in der Sprache selbst als Kiswahili bezeichnet wird, ist eine einfach zu erlernende Sprache. Sie hat wesentliche Bantu- und arabische Einflüsse (ca. 20% der Worte im täglichen Gebrauch entstammen dem Arabischen – etwa genau so viel wie griechische und lateinische Worte im Englischen verwendet werden – ), und ist insgesamt wenig vergleichbar mit indogermanischen Sprachen (also den gängigen europäischen, mittel- und nordasischen Sprachen). Da ich hier jeden Tag viel Swahili spreche und eine nicht unerhebliche Zeit auch zum Lernen aufwende, will ich euch mal ein bisschen über die erwähnenswerten und ohne Vorkenntnisse verständlichen Eigenschaften der Sprache berichten.

Ich finde Swahili eine unglaublich interessante Sprache, gerade weil sie überhaupt nichts mit der Struktur von anderen Sprachen, die ich kenne (Deutsch, Englisch, Russisch und Latein), gemeinsam hat.

  1. Swahili ist eine agglutinierende Sprache. Das bedeutet, dass Zeit-, Aspekt-, Objekt- und Relativ-Informationen (sog. Affixe) zusammen mit dem Verbstamm ein Wort ergeben. Verben werden außerdem vorne dekliniert. Denkt man in Latein an video, vides, videt, videmus, videtis und vident, so lautet die äquivalende Deklination in Swahili: ninaona, unaona, anaona, tunaona, mnaona, wanaona. Will man ein Wort durch die Zeiten deklinieren, dann verändert man die Zeitsilbe des Wortes: Ich ging, ich gehe, ich werde gehen wird zu nilitembea, ninatembea, nitatembea (fett gedruckt die Zeitsilbe). Auch Objekte werden "mittem im Verb" untergebracht: nampenda (ich mag ihn) und nawapenda (ich mag sie (Pl.)).
  2. Adjektive und Demonstrativpronomen werden hinter dem zu beschreibenden Substantiv platziert. Artikel gibt es nicht. Das klingt verwirrend, man gewöhnt sich aber sehr schnell dran. Überhaupt ist oft die Wortordnung genau umgekehrt: rafiki yangu wewe, wörtlich Freund mein Du heißt natürlich richtig übersetzt Du, mein Freund.
  3. Die Substantive werden nicht, wie in indogermanischen Sprachen, nach männlich, weiblich und sächlich eingeteilt (was, nebenbei gesagt, ja auch reichlich merkwürdig ist angesichts der Tatsache, dass wir Zuordnungen wie das Mädchen haben – ) sondern stattdessen in Wortklassen eingeteilt. Die Substantive sind nicht deklinierbar. Je nachdem, welcher Swahili-Grammatik man folgt, gibt es zwischen sechs und 15 dieser Klassen. Diese Klassen richten sich also nicht nach (vermeintlichem) Geschlecht einer Sache oder Person, sondern charakterisieren seine Eigenschaft. So gibt es eine Hauptwortklasse für Lebewesen, eine für Pflanzen und Pflanzenteile und menschengemachte Dinge (wie zum Beispiel mkate, Brot), eine Klasse für konkrete, anfassbare Dinge (wie z.B. kisu, Messer), eine Klasse für Abstrakta (z.B. uhuru, Freiheit), sowie zwei Weitere Klassen, in die alle anderen Dinge reinfallen, inklusive der vielen Fremdwörter (in der Vergangenheit vor allem arabische oder Hindu-Wörter, im letzten Jahrhundert, bedingt durch die britische Kolonialherrschaft, zunehmend englische).
    Einer der wichtigsten Schritte beim Lernen von Swahili ist, dass man jedem Substantiv sofort dessen Klasse zuordnen kann. (Diese Wortklassen haben sich mit der Zeit entwickelt – wenn man in die Sprache hineinwächst, dann ergeben sie eine recht logische Struktur, denn verwandte Wörter gehören in eine Klasse, sowie die diesen Wörtern wiederum verwandten Wörtern auch, usw. – aber gerade, wenn man diese Sprache neu lernt, erscheint die Einteilung teilweise ein wenig beliebig.) Die Zuordnung dieser Klassen, die prinzipiell leicht klingt (und bei geschriebenen Wörtern auch nicht allzu schwer ist), ist jedoch für gesprochene Wörter sehr schwer, auch, weil jeder Klasse unterschiedliche Adjektiv-Präfixe und Objekt- bzw. Relativsilben zugeordnet sind, die man beim Sprechen wissen muss. Nur, wenn man also die Klasse des Substantivs kennt, kann man dieses Substantiv benutzen, das heißt, den Plural bilden, auf es einen Objekt- oder Relativbezug herstellen, es als Subjekt des Satzes auftreten lassen, oder ihm Adjektive zuordnen. So hängt ein wesentlicher Teil eines Wortes von der Klasse des Wortes ab (Plural, Relativanschluss und Objektreferenz hier fett markiert): mikate niliyoinunua (die Brote, die ich kaufte) und vikombe nilivyovinunua (die Tassen, die ich kaufte). Stilmittel wie die Alliteration wären in dieser Sprache sicherlich nie erfunden worden, weil so etwas teilweise unvermeidlich ist: gari limekuja likapita likaondoka (das Auto kam, fuhr vorbei und dann weg).

Von der Aussprache her ist Swahili recht einfach. Das verwendete Alphabet besteht aus 24 Buchstaben (q und x fehlen). Auch wenn es prinzipiell Laute wie das englische th gibt (sowohl hart, wie in theme, als auch weich, wie in them), und außerdem einen Laut aus dem Arabischen, der klingt wie zwischen deutschem r und ch, werden diese in der Praxis meist nicht benutzt, zumindest von den Leuten in Dar es Salaam (das mag auf Sansibar anders sein, wo die Leute "das reine" Swahili sprechen). Die Betonung liegt bei jedem Wort fast immer auf der vorletzten Silbe, was die Aussprache extrem erleichtert (man denke zum Beispiel an Russisch, wo man zu jedem Wort die Betonung mitlernen muss!). Ungewohnt ist lediglich die verwendung von Nasallauten am Anfang von Worten: das Wort für "Mensch" ist mtu, wobei die Betonung auf dem m liegt, dem ein kurzes tu nachgeschoben wird. Ähnlich mnafanyaje ("was tut ihr?"): Man muss dem Hörer deutlich machen, dass das Wort mit einem m beginnt, auch wenn die Betonung auf dem Silbe ya (ausgesprochen wie deutsches ja) liegt. Auch gibt es Worte, die mit ng anfangen: ngurue beispielsweise heißt Schwein.

Es gibt kein Wort in Swahili, dass auf einem Konsonanten aufhört. Das hat wesentliche Implikationen auf die Aussprachefähigkeit der Leute, speziell des Englischen. Dadurch, dass die Betonung eines Wortes immer auf der vorletzten Silbe liegt, wird die letzte meist eher vernachlässigt, teilweise sogar fast verschluckt. Ähnliches passiert mit Englischen Wörtern, die auf einen Konsonanten enden: die Leute hängen dem Wort ein i an, und verschlucken das halb. So erklären sich Wörter wie gari (von engl. car) oder peni (von engl. pen). Den Swahilisprechern hier fällt das nicht auf, dass sie das machen. Wenn man ihnen sagt, "sag mal 'pen'", und es so ausspricht, dass es mit einem n aufhört (was ja für Deutsche kein Problem ist), dann sagt der Angesprochene zuverlässig peni. Und wenn man ihm dann die beiden Worte nacheinander auf die jeweilige Weise sagt, dann hört er keinen Unterschied.

Es gibt sehr wenige Adjektive in Swahili. Es gibt zum Beispiel keine Adjektive für "geschlossen", "intelligent" oder "orange". Statt dessen muss man entweder kleine Relativsätze verwenden, mit dem Wort "besitzend" arbeiten oder Vergleiche Anstellen:

Überhaupt gibt es nicht besonders viele Worte in dieser Sprache, auf das moderne (Stadtleben) bezogen. Es gibt kein Wort für Universität, statt dessen verwendet man chuo kikuu (wörtl.: Schule Haupt-/groß). Auch eine differenzierung findet (zumindest im normalen Sprachgebrauch hier) nicht bzw. kaum statt: ausrutschen, hinfallen, stolpern und herunterfallen wird alles durch das gleiche Verb beschrieben (-anguka), -chungu heißt sowohl bitter als auch "nicht wohlschmeckend", -tamu heißt gleichzeitig süß und wohlschmeckend; abbiegen, einen Berg besteigen und in ein Auto einsteigen wird alles durch das Verb -panda beschrieben. Ein Verb für "fühlen" gibt es nicht, lediglich -skia und -ona, was respektive aber hören bzw. sehen bedeutet. Wenn mir kalt ist, sage ich also naskia baridi, wörtl. ich höre Kälte. Allerdings wird hier (auch aufgrund der fehlenden Artikel) wesentlich mehr mit Demonstrativpronomen, Eigennamen oder Vergleichen gearbeitet.

Aber vor dem Hintergrund, dass Swahili schon sehr lange gesprochen wird und Bantu-Ursprünge hat, merkt man, dass Swahili eine sehr naturnahe Sprache ist. Wenn man an ein Leben vor 150 Jahren in der Trockensavanne denkt, dann wird direkt klar, was für Worte wichtig waren (und daher besonders prägnant und ein-/zweisilbig sind): mtu (Mensch), mti (Baum), mto (Fluss). Andere Beispiele: njaa (Hunger), nchi (Land), mke (Ehefrau), mbu (Moskito). Auch gibt es Substantive, die Sachen bezeichnen, die wir in unserer Sprache nur umschreiben könnten: so werden drei Steine, die zu einem Dreieck zusammengeschoben eine Feuerstelle ergeben, mafiga genannt, und offener Raum in einem Dorf (wo also weitere Hütten gebaut werden können) heißt ugu. Während es zum Beispiel kein Verb für "aufladen" gibt (und statt dessen charge aus dem englischen verwendet wird: -chaji), gibt es Verben, die es im englischen oder deutschen meines Wissens nach nicht gibt:

In indogermanischen Sprachen sind wichtige bzw. häufig verwendete Worte meist unregelmäßig (engl.: go, went, gone; dt.: gehen, ging, gegangen; lat.: ferre (tragen), tuli, latum) – in Swahili sind sie einfach nur kurz: -ja – kommen, -la – essen, -fa – sterben, -ua – töten, -jua – wissen/kennen, -oa – heiraten. Auch die Existenz von Dingen lässt sich mit jeweils zwei Silben bechreiben, wobei die erste von der Hauptworklasse abhängt: Vocha zipo?Zipo. (Gibt es Handyaufladekarten?Ja, gibt es./Ja, sie sind da.). Auf diese Weise kann man mit sehr wenigen Worten Sachverhalte ausdrücken, für die man zum Beispiel im deutschen wesentlich mehr Worte braucht: hayupo – er/sie ist nicht da; hajaja – er ist noch nicht angekommen; tule! – Lasst uns essen!; sikumwona – (Nein,) ich habe ihn nicht gesehen; ukija niamkie! – Wenn Du (hierher) kommst, dann sollst Du mich (respektvoll) grüßen! Das macht das Lernen der Sprache wiederum schwieriger, weil in diesen kurzen Worten jede Silbe eine wichtige Bedeutung hat: si–ja–la bedeutet: Verneinung-1.-Person-Sg.–Aspekt-noch-nicht-geschehen–Verbstamm-"essen", also ich habe noch nicht gegessen.

Swahili macht es dem Sprecher aber eher leicht, von Wortstämmen Adjektive, Verben oder Substantive verschiedener Bedeutung zu erzeugen. -jerumani ist der Wortstamm für "deutsch". Mjerumani ist ein Deutscher, Wajerumani sind Deutsche, durch Einordnung in die Klasse der Abstakta erhält man Ujerumani, also Deutschland; Kijerumani (eingeordnet in die Klasse der Dinge) ergibt sich das Eigenschaftswort "deutsch" bzw. die Sprache Deutsch. Ähnlich -talii: mtalii, watalii, utalii und kitalii heißt Tourist, Touristen, Tourismus und touristisch respektive. Aus dem arabischen Adjektiv safi (sauber) leiten sich das Abstraktum usafi (Sauberkeit) und -safisha (säubern) ab. Eine Veränderung bzw. Beugung des Verbstamms findet nie statt – es werden lediglich weitere Silben an einen Stamm angehängt, um dessen Bedeutung zu verändern.

Nichts macht den Leuten hier mehr Spaß, als zu testen, ob Weiße (mzungu) Swahili können. Es ist in diesem Land üblich, stundenlange Begrüßungen auszutauschen. Während ich in Deutschland in meinem Freundeskreis nur Was geht? oder in Geschäften oder bei älteren Leuten Guten Tag sage, fragt man hier auch wildfremde Leute danach, wie es ihnen geht, was zu Hause oder bei der Arbeit los ist, etc. – die Antwort ist immer irgendeine Form von gut oder sehr gut. Die Begrüßungen laufen hier immer so in Dialogform ab, und benutzen oft Wörter wie mambo, jambo (Angelegenheit, Problem) oder hali (Zustand). Außerdem gibt es eine Respektspersonen gegenüber gebrauchte Begrüßung, shikamoo, auf die mit marahaba geantwortet wird. Das ist besonders häufig so, wenn Kinder einem auf der Straße begegnen. Ich als angesprochener Frage dann wiederum zurück: hamjambo? (Geht es euch gut?), was wiederum mit hatujambo (Ja, uns geht es gut) beantwortet wird. Die Reaktion darauf, dass ein Weißer Swahili kann ist hier immer durchgehend positiv, umso positiver, je ärmer und jünger die Leute sind mit denen man redet, weil diese das am wenigsten erwartet. Außerdem bekommen wir durch die Kinder viel "Jugendsprache" bzw. Straßen-Swahili mit, was Leute, die man auf der Straße trifft, immer sehr freut. Bei den Begrüßungen gibt es dutzende Slang-Worte für "mir geht es gut", zum Beispiel shwari oder mzuka. Fragt man nach Übersetzungen dieser Worte, bekommt man als Antwort, das heiße gut oder sehr gut; wobei das erste Wort in Wahrheit ruhig/entspannt bedeutet, und das zweite Wort eine "plötzliche Erscheinung", oder Geister bezeichnet.

Ein großes Problem, was beim Lernen dieser Sprache auftritt, ist, dass selbst die Leute, die sich als Swahili-Lehrer bezeichnen, keine Ahnung von der Grammatik haben (oder sie nicht erklären können). Wenn ich frage, warum steht diese Silbe dort?, dann kommt beispielsweise als Antwort, dass sie die Vergangenheit kennzeichnet. Es gibt aber mehrere Vergangenheitsaspekte, und wenn man fragt, warum nicht der reguläre verwendet wird, und als Demonstration das gleiche Verb mit alternativem Aspekt hinschreibt, dann kommt als Antwort, dass das fast das gleiche sei. Beim Sprechen werden diese Unterschiede (die mysteriöserweise nicht erklärbar sind) aber weiterhin gemacht. Ich habe also nur alleine gelernt, mit Büchern, und bei Fragen, die ich auf diese Weise nicht klären konnte, versucht, mit den Kindern oder Lehrern durch aufsagen von mehreren Beispielsätzen herauszufinden, was nun richtig ist. Vielen fehlt auch das Verständnis dafür, dass oder wie man etwas neues lernt. Als ich mich mit Relativsätzen beschäftigt habe und dann den Satz kisu kikatacho vizuri (Ein Messer, das gut schneidet) gebildet habe, wurde ich immer berichtigt, kisu kikali (Ein scharfes Messer) zu sagen, was dann natürlich nicht weiterhilft.

Alles in Allem habe ich das Gefühl, dass das Lernen von Swahili bisher wesentlich dazu beigetragen hat, meinen Aufenthalt hier spannender und lehrreicher zu machen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich den ganzen Tag hier nur noch in diesem gebrochenen Englisch reden müsste... lieber nicht.


FDB: Unterricht, ein Herzproblem, Fußballer und kein Geld

17. März 2009

Bei Friends of Don Bosco ist in letzter Zeit wieder viel los. Wir haben diverse neue Lehrer, die sogar regelmäßig ( – nach afrikanischen Maßstäben; für einen Außenseiter sähe das ziemlich ungeplant aus!) Kleingruppen oder ganze Klassen unterrichten. Marisa, Jonathan und ich haben auch eine eigene Klasse, in der wir alle Fächer außer Kiswahili und Chemie unterrichten. Die Form One entspricht einer achten Klasse unseres Schulsystems, und ist die erste Klassenstufe, die auf englisch unterrichtet wird. Ich unterrichte Mathematik und Physik. Während Mathe noch ziemlich gut zu erklären ist (denn wir machen gerade erst mal Primfaktorzerlegung – achte Klasse, wohlgemerkt! Brüche sind das nächste Thema –) ist Physik schon schwieriger. Denn wenn die Kinder keine Bruchzahlen oder Dezimalbrüche kennen, wie soll man ihnen dann erklären, dass die Erdbeschleunigung ca. 9.8 N/kg ist? Und das auf Englisch, was sie so gut wie nicht verstehen?

Ich unterrichte, indem ich wirklich sehr einfache Sprache verwende, und, wenn es mir möglich ist, die wichtigen Sachen auch noch auf Kiswahili übersetze oder von denjenigen, die es verstanden haben, an der Tafel erklären lasse. Das ist ein ziemlich unübliches System, aber die Schüler gewöhnen sich dran: In einer "normalen" Schule (oder in der Nachbarklasse) schreibt der Lehrer an, liest vor, und die Schüler schreiben ab. Keine Fragen, keine Diskussion, keine Überprüfung, ob alle mitgekommen sind. Aber mir ist es wichtiger, dass die Kinder allesamt die Primfaktorzerlegung verstehen, als dass ich zeitlich mit allem durchkomme, was ich mir vorgenommen habe.

Überhaupt Englisch als Sprache: Ich weiß nicht, wer dieses Schulsystem in diesem Land so sehr gegen die Wand fahren konnte. Es ist mir wirklich unbegreiflich. Die Primary School umfasst hier sieben Klassen (Standard One, etc. genannt – ) und der Unterricht findet auf Kiswahili statt. Oft waren die Kinder schon vorher in der Nursery School, und haben auf Englisch bis 100 zählen gelernt, ein paar Wörter auf Englisch gelernt, schreiben gelernt, etc.; die Primary-School ist kostenlos. Danach können die Kinder die Secondary School besuchen, wenn die Eltern Geld haben: zwar gibt es staatliche Secondary-Schools, die sehr wenig Geld kosten (anfangs nur ca. 15 € pro Jahr), aber diese können nur von den Besten aus Standard Seven besucht werden (von den über 150 von FDB unterstützten Kindern sind das nur eine Hand voll). Die anderen gehen auf eine private Secondary-School – wenn die Eltern Geld haben. Die Schulgebühren liegen bei um die 400.000 Tansanischen Schillingen pro Jahr, das sind ca. 235 € – eine Menge Geld in diesem Land. (Zum Vergleich: Die Regierung schafft Arbeitsplätze, indem sie Leute als Straßenkehrer anstellt; die Arbeit dieser Leute besteht wirklich daraus, Sand vom Rand der Hauptstraßen in den Straßengraben zu kehren. Diese bemitleidenswerten Gestalten, die den ganzen Tag mit Gummistiefeln, Tuch vor dem Mund und Helm auf dem Kopf im Staub in der prallen Sonne mit halb kaputten Schaufeln und abgenutzten Besen arbeiten müssen, sind meist Witwen, häufig vermutlich Aids-bedingt. Sie verdienen 30.000 Schillinge im Monat. Das entspricht 17 €. – Selbst, wenn sie kein Geld für Essen oder eine Unterkunft benötigten, wäre es ihnen trotzdem nur mit wesentlichen Nebeneinkünften möglich, ein Kind zur Schule zu schicken.) Die Secondary-Schools umfassen vier Jahre, dann hat man einen Ordinary Level-Abschluss (O'Level). Hängt man zwei weitere Jahre dran, so hat man den höchsten schulischen Abschluss, das Advanced Level (A'Level), das einen – wie das Abitur in Deutschland – zum Studieren berechtigt. Die Secondary-School findet aber auf Englisch statt. Die Kinder haben also sieben Jahre in der Primary-School Englisch gelernt, und sollen nun auch den Unterricht auf Englisch genießen können. Was in der Theorie gut klingt ( – bevor ich hier her kam, hatte ich schon davon gehört, und gedacht: das ist ja gar nicht dumm! ... ) ist in der Praxis – euphemistisch ausgedrückt – kontraproduktiv: Fakt ist einfach, dass die Kinder, wenn sie in die Form One kommen, so gut wie kein Englisch können. Natürlich können sie "Good Morning" und so etwas sagen und kennen einige Vokabeln, aber bei der Satzbildung fängt es an, Probleme zu geben. Selbst die Besten in meiner Form One sind nicht in der Lage, auf Englisch einfachste Sachen zu erklären. Das hat logischerweise Konsequenzen auf das Verständnis, denn: sie verstehen a) nicht, wenn man zu ihnen Sätze mit mehr als nur drei Worten auf Englisch spricht, schreiben b) die Wörter von der Tafel einzeln ab, weil sie deren Bedeutung (und die Bedeutung des Satzes in dessen Gesamtheit) nicht verstehen und verstehen c) zum Großteil den Stoff nicht, weil er ihnen auf einer Fremdsprache mit notwendigerweise neuen Worten erklärt wird und sind daher d) zum Auswendiglernen gezwungen. – Tatsächlich sind sogar die National Examinations zu einem Großteil darauf aufgebaut, dass die aus den zentralisierten (und von der Regierung zu genehmigenden) Büchern auswendig gelernten Definitionen oder Rechenschritte abgespult werden. Die Faustregel "maximal ein Drittel Reproduktion in schriftlichen Tests" würde hier halbe Jahrgänge zum Durchfallen bringen. Es kommt vor, dass ich hier von einem der Älteren angesprochen und gefragt werde, ich könne doch Physik; dann fragt er: what is velocity? und ich antworte, in besonders einfachem Englisch, und erkläre, wie man Geschwindigkeit in der Physik beschreiben könnte, natürlich auch anhand von Beispielen – zurück kommt dann ein triumphierendes Grinsen, und er spult (in gebrochenem Englisch) die Definition aus dem offiziellen Schulbuch ab: velocity is the ... und denkt: ich kann Physik! – Würde man den Unterricht auf Kiswahili veranstalten, so würde man (so glaube ich zumindest) die wesentlichsten Probleme des Schulsystems auf einen Streich beseitigen: Der Stoff würde den Kindern richtig erklärt werden, sie könnten auf Kiswahili darüber Diskutieren, Fragen stellen, etc. Tatsächlich findet auch ein nicht unerheblicher Teil der Erklärungsarbeit in den anderen Klassen hier bei FDB auf Kiswahili statt, aber geschrieben wird immer noch auf Englisch. Dazu muss man sich auch vor Augen halten, dass die Kinder Jahrelang von Lehrern auf Englisch unterrichtet werden, deren Englisch bestenfalls unterirdisch ist (wie bereits erwähnt). Huruma erzählte mir, dass vor einigen Jahren ein Lehrerverbund Anstrengungen bemüht hat, genau dies zu tun und Kiswahili als Unterrichtssprache für die Secondary-School einzuführen. Der damalige Bildungsminister hat – Hurumas Aussage nach – das momentane System vehement verteidigt, aber zugestimmt, eine Kommission ins Leben zu rufen, die diese Umstrukturierung mit ihren positiven und negativen Folgen bewerten solle. Diese Kommission ist bis heute wohl noch zu keinem Ergebnis gekommen (aber ich bin mir sicher, dass sie fieberhaft daran arbeiten!). Ich bin mir nicht sicher, aber je länger ich über dieses Thema nachdenke, desto mehr bin ich der Meinung, dass IMF- und Weltbankrichtlinien (wenn vielleicht auch nur anfänglich) dazu beigetragen haben, dieses Schulsystem so gegen die Wand zu fahren und Tansania auf diese Weise (in meinen Augen) effektiv einer gebildeten Bevölkerung zu berauben.

Ende des Exkurses, zurück zu FDB: Letzte Woche gab es große Aufregung, denn Mwanaisha wurde ins Krankenhaus geliefert. Sie war schon die vorherigen Monate immer sehr schwach und oft krank gewesen, aber hier werden Kinder nicht einfach so zum Arzt geschickt werden, wenn es ihnen nicht sehr, sehr schlecht geht; alles andere kostet Geld, was nicht vorhanden ist. Um Mwanaisha schien es aber wirklich schlecht zu stehen (ich war an dem Tag nicht da), und sie wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und ein paar später in eine Herzklinik: Sie hatte Malaria, angeblich Typhus (auch wenn ein anderer Arzt das später nicht bestätigen konnte) und Herzprobleme. In der Herzklinik (Tanzania Heart Institute) wurde dann ein "Mild Rheumatic Heart Disease" festgestellt, und Mwanaisha musste fast zwei Wochen in Behandlung bleiben. Jeder Behandlungstag hat ein Vielfaches dessen gekostet, was wir hier an einem Tag für – wohlgemerkt günstiges, unausgewogenes – Essen für alle Kinder ausgeben, und konnte nur dank kurzfristiger Spenden überhaupt aufgebracht werden. Ob Mwanaisha operiert werden muss ist noch nicht geklärt. Sie muss nun die nächsten Monate jeweils wieder zur Evaluation ins Krankenhaus, und dann wird entschieden, ob sie operiert werden muss oder ob das Problem rein medikamentös behandelt werden kann. Eine Operation würde wiederum Geld kosten, was fast unmöglich aufzubringen wäre, sechs Millionen Schillinge, ca. 3.500 €.

Voriges Wochenende war wirklich besonders für die Kinder hier bei FDB! – Über einen Kontakt bei der Canadian High Commission ist Evans dazu gekommen, dass eine Fußballmannschaft aus Vancouver, Kanada, uns hier besucht hat. Das Team war auf Trainingscamp für zwei Wochen in Tansania und hat gegen einige lokale Mannschaften auch Freundschaftsspiele gespielt. Am letzten Freitag kam dann das Team: das ganze Center wurde sauber gemacht, dass Essen wurde etwas früher vorbereitet, und ein paar Kinder haben einen traditionellen Tanz vorbereitet. Die Fußballer waren recht fasziniert (weil sie ja bisher Tansania meist nur aus dem klimatisierten Mannschaftsbus heraus erlebt hatten) und haben den Kindern eine riesige Freunde gemacht mit ihrem Erscheinen, und den Geschenken, die sie mitgebracht haben: diverse alte, aber gleichfarbige Trikots einer Kindermannschaft aus Vancouver, zwanzig T-Shirts mit ihrem Vereinslogo, eine ganze Tasche voller Fußballschuhe mit Stollen in verschiedenen Größen, ein Netz voller Bälle (von guter Qualität!) sowie diverse Gefrierbeutel mit Schulmaterialen wie Linealen, kleinen Blöcken, Wachsmalstiften usw. zusammen mit einem kleinen persönlichen Brief und Foto von den Kindern der Familien der Fußballer oder von Bekannten – eine sehr schöne Idee!

Außerdem haben die Fußballer organisiert, dass alle Kinder, die wollten, am Samstag mit ins Nationalstadium kommen konnten, in dem sie gegen die tansanische Nationalmannschaft spielen sollten. Wir haben uns also an dem Tag, in die Trikots und T-Shirts gekleidet ins Nationalstadium begeben – und waren die einzigen, die für die Kanadier waren. Leider spielte gleichzeitig in der englischen Premier League, auf die hier alle Leute unglaublich stehen, ein Match gegen Arsenal (dem Lieblingsverein der meisten Tansanier hier), so dass das Stadium, trotz eines Eintrittspreises zwischen 1,80 € und 5,80 € nur zu 10% gefüllt war. Aber die Kanadier haben sich sichtlich gefreut, dass sie einen treuen Dreißiger-Fanblock zu ihrer Unterstützung hatten – auch wenn sie trotz eines erwarteten Gewinns leider nur 0:0 unentschieden gespielt haben.


Ansonsten geht es uns finanziell schlecht hier. Auch wenn Barry und Paul behaupteten, alles schnell in die Wege zu leiten, ist hier noch kein Cent Geld angekommen. Diverse Schulen drohen, die Schüler, deren Schulgeld von den beiden aus England gezahlt werden sollte, von der Schule zu werfen. Nur dank des Sonderstatus', den sie als Waisen genießen und der unermüdlichen Bemühungen seitens Evans sind die Schüler noch auf der Schule, aber die endgültige Frist läuft irgendwann im April ab. Auch Renovationstechnisch hat sich nichts getan. Das Dach leckt mehr denn je, und einen Zaun gibt es immer noch nicht. Barry ist nicht zu erreichen: weder per Telefon, noch per E-Mail, noch über seinen Kontakt bei der tansanischen Bank. Sehr merkwürdig, und sehr beunruhigend das alles. Andererseits habe ich heute in aller Eile auf Evans Anweisung noch einmal unseren Budgetplan auf das Nötigste reduziert (Essen, Schuhe, Handtücher, Plastikeimer und neues Wellblech), weil er wohl Kontakt zu einer anderen Organisation hat, die wiederum Kontakt zu jemandem aus England hat, der Geld spenden will – mal schauen, was daraus wird. Man darf hoffen, aber momentan ist die Situation wirklich nicht gut. Es gibt nach wie vor nur einmal die Woche Reis.

Am Wochenende fahre ich mit David, Stephan und Jonathan für eineinhalb Tage nach Bagamoyo, eine sehr kleinen Stadt nördlich von Daressalaam, die Sitz der deutschen Kolonialherrscher war. Das wird sicher spannend!


Bagamoyo

23. März 2009

Endlich bin ich mal wieder aus Dar es Salaam rausgekommen. Ich mag die Stadt hier auf eine gewisse Weise, im Gegensatz zu den meisten anderen hier. Klar, die Stadt ist echt laut, dreckig, heiß und anstrengend, aber sie hat auch einen gewissen Charme. Aber ob man die Stadt nun mag oder nicht – rauskommen muss man mal. Und angesichts der Tatsache, dass ich schon die Hälfte meiner Zeit hier absolviert habe und gerade mal eine Woche Ferien gemacht habe wird es langsam wirklich ein bisschen Zeit, zu verreisen. Und wenn's nur für ein Wochenende ist, wie Bagamoyo.

Bagamoyo ist ein kleiner, verschlafener Ort nördlich von Dar es Salaam. Ungefähr 20.000 Menschen leben im Ortszentrum und weitere 40.000 dorfartig drum herum. Dorfartig heißt, dass die Hütten aus Lehm und Stöckern gebaut sind, und, je nachdem, wie reich die Familie ist, mit geflochtenen Palmwedeln und zusammengenähten Reis- bzw. Maismehlsäcken oder mit Wellblech gedeckt sind. Bagamoyo war Sitz der Kolonialmacht Deutschland bis irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts. Daher sind die Bomas, die Verwaltungsgebäude der Kolonialherren, die kulturelle Sehenswürdigkeit schlechthin. Diese Verwaltungsgebäude sind auch die einzigen nicht einstöckig gebauten Häuser in dem ganzen Ort ( – denn ... sonst – müsste man sich um die Statik der Gebäude kümmern! Mehrstöckige Häuser findet man hier fast nur in den Kerngebieten der großen Städte).

Auf jeden Fall hatten Stephan, David, Jonathan und ich uns entschlossen, ein Wochenende in Bagamoyo zu verbringen. Wir haben die Planung offen gelassen: ob wir nun einen oder zwei Tage bleiben wussten wir noch nicht. Wir sind also Freitags nachmittags losgefahren: von Mwenge, einer der nördlichen Busbahnhöfe, fahren Dallas (von denen ich auch irgendwann noch mal mehr schreiben muss) nach Bagamoyo, für umgerechnet knapp unter einem Euro. Wie lange die Fahrt dauert weiß ich leider nicht – auf der Hinfahrt las ich und auf der Rückfahrt schlief ich die ganze Zeit. Aber ich glaube ein bisschen mehr als eine Stunde.

In Bagamoyo angekommen passierte unausweichlicherweise das, was das Reisen (oder Ankommen nach einer Reise) als Weißer in diesem Land wirklich nervig macht: Leute, die von Touristen leben. Wir wussten, in welches Hotel wir wollten. Wir haben den auf uns zukommenden Leuten das auch gesagt, und weiterhin, dass wir so oder so erst mal in eine Bar gehen wollen. (Einige dieser Leute wenden sich gleich ab, wenn sie merken, dass die "Touristen" Kiswahili sprechen – kein Profit.) Aber ein gewisser Mann ließ nicht locker. Und das ist dann eine echt doofe Situation: Da wollen wir in eine Bar gehen, und anstatt eine zu suchen, muss man sich dann führen lassen. Und dann wollen wir uns alleine unterhalten, und der Mensch hat natürlich noch kein Geld bekommen, aber wir wollen ihm ja auch kein Geld geben – noch haben wir keine Hilfeleistung von ihm erhalten, die uns nützlich war, außer, dass er uns in eine Bar gebracht hat. Und er wird uns auch keine erweisen können, weil wir schon wissen, welches Hotel wir in Beschlag nehmen wollen, und weil wir auch auf Kiswahili mit der Barbedienung reden können. Aaaaber: dranbleiben ist alles. Während wir dann also Bier trinken tut es einem doch ein bisschen Leid, dass er da so ohne etwas zu trinken sitzt – also bieten wir ihm auch etwas an. Und was holt er sich? Ein Päckchen Konyagi (Zuckerrohrschnaps, 100ml, 32%). Pur. Von wegen: "Wenig Geld von den Weißen nehmen, aber maximalen Effekt!"

Und so sehr wir hier alle an einem Kulturaustausch interessiert sind: Nein! Heute mal nicht! Wir haben jetzt ein Wochenende Ferien von fünfeinhalb Monaten Dauerkulturaustausch. Und dieses ständige Selbst-Einladen der Afrikaner (durch sich-an-den-Tisch-setzen und wie ein Hund gucken, oder einfach dadurch, die Sache in die Hand zu nehmen, zu bestellen und dann schauen wer zahlt – die Weißen!) hat man auch in Dar es Salaam immer, also reden wir Deutsch die ganze Zeit. Und auch wenn wir den Weg zum Hotel nicht genau wussten, hätten wir ihn vermutlich sogar ohne nachzufragen gefunden – so klein ist Bagamoyo. Aber – "er" musste uns führen, dranbleiben ist alles. Und nachdem wir dann am Hotel waren, und er für uns die Preise erfragte (die wir kannten, so dass wir darauf achten konnten, dass er nicht noch seinen Profit draufschlüge) und uns erklärte, dass wir zu zweit in Doppelzimmern schlafen würden (was wir wussten und auch so geplant hatten) – wollte er Geld haben. Natürlich. Und auch wenn ich finde, dass er für den Service, den er uns netterweise erwiesen hat, so ungefähr gar nichts verdient hätte – habe ich ihm einen 1000er gegeben (60 Cent). Das reicht für ein ordentliches Abendessen am Straßenrand. – Worauf er direkt 1000 von jedem verlangte, damit er sich "etwas Gutes zu essen kaufen könne und zwei oder drei Bier". Dann ist er aber zum Glück gegangen, und hat uns alleine gelassen.

Das erinnert mich ein bisschen an einen anderen Mann, den ich im Marktviertel von Dar es Salaam, Kariakoo, traf. Ich war mit Jonathan unterwegs und wollte T-Shirts kaufen und Flip-Flops anschauen, und wir trafen den Typen als ich was zu essen suchte. Und der Mann war einfach eklig: fettige, dreckige Finger, nur ein dreckiges Unterhemd an, spuckte beim Sprechen und war unglaublich aufdringlich. Ich kenne natürlich auch Vokabular, um das Äquivalent von "Geh nach Hause" mit einer Beleidigung kombiniert zu sagen, aber ich benutze so etwas nicht mal in so einer Situation. Ich habe dem Mann gesagt, dass ich keine Führung brauche (weil ich mich auch alleine auskenne), dass ich weiß, welche Geschäfte ich anschauen will (von "T-Shirts hängen draußen" zu "T-Shirts werden drinnen verkauft" konnte ich genau wie er schließen) und dass ich auch kein Geld für ihn hätte. Das alles auf Kiswahili, und zehn, oder zwanzig Mal wiederholt. Aber die folgende Stunde war einfach verlorene Zeit: Ständig wollte er mich zu irgendwelchen Geschäften bringen, und machte mich auf irgendwelche Belanglosigkeiten aufmerksam. Wenn ich in einen Laden ging, stand er draußen (weil er sonst vermutlich seines Aussehens wegen aus dem Geschäft geworfen worden wäre) und war prompt wieder an meiner Seite, sobald ich wieder raus ging. Im Endeffekt habe ich ihn eine Stunde durch Worte versucht loszuwerden, und habe nichts von dem erreicht, was ich erreichen wollte. Als ich dann in einen Bus eingestiegen bin stand er draußen und gab mir mit Zeichen zu verstehen, dass er Geld haben wolle. Und als ich ihm dann aus dem Fenster sagte, dass er mich eine ganze Stunde nur genervt hat, wurde er wirklich wütend. Zweifelsohne ist der Mann in einer unglaublich armen Position, und natürlich spricht er mich dann an, um vielleicht ein wenig Geld als Guide zu verdienen. Aber wenn ich mehrmals deutlich sage, und dass schon nach drei Minuten, die er mich vollredet, dass ich für ihn kein Geld habe – dann, finde ich, hat er es nicht anders verdient. Mich regen solche Kletten auf, und ich kann mich in so einer Umgebung nicht entspannen. Aber genug davon.

Was ganz lustig war: Ich war als einziger von uns ohne Gepäck gereist. Ich hatte lediglich einen Roman in der Hand und eine Zahnbürste in meine Hosentasche. Handtücher und Seife gibts im Hotel, und ein Wochenende kann man schonmal in den gleichen Klamotten verbringen (hier stinkt sowieso alles und jeder). Lustigerweise wurde ich nicht gleich beim Aussteigen aus dem Bus angesprochen, sondern erst, als klar wurde, dass ich zu den anderen gehöre, die alle Rucksäcke aufhatten. Wenn ich nochmal Kurztrips in die nähere Umgebung mache, dann werde ich das bestimmt wieder so handhaben.

Und damit habe ich eigentlich fast schon alles erzählt. Das Hotel war okay (7500 p.P./Nacht, 4,50 € ohne Frühstück), und man konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit sein Zimmer betreten und verlassen. Die Stadt ist unglaublich ruhig, sobald man mal vom Busbahnhof weg ist. Wir haben den Abend damit verbracht, was man in einer Männerrunde auf Wochenendurlaub macht: Eine Bar besucht. Da war eine unglaublich kompetente Bedienung, die außerdem auch noch echt nett war. (Exkurs: Barbedienungen werden in diesem Land so ein bisschen wie Freiwild betrachtet. Generell spricht man nur im Befehlston mit ihnen – "Bring ein Glas!", "Bring eine neue Runde!" – und sie antworten auch so: kein "Ich will ersteinmal, dass ihr die letzte Runde bezahlt", sondern eine ausgestreckte Hand und manchmal das genuschelte Wort "Geld". Außerdem ist es nicht geächtet, die Barfrauen anzugrabschen und so lange sich das im Rahmen hält sagen sie auch nichts. Interessanterweise ist der Großteil der Barbedienungen übergewichtig und bemerkenswert ungrazil, da wird beim weggehen schon mal ein Plastikstuhl umgekippt oder so. Es erfordert bisweilen eine nicht unerhebliche geistige Anstrengung, eine Bestellung von vier Personen aufzunehmen – wobei die Zuordnung, wenn die Getränke gebracht werden, fast unausweichlich fehlschlägt. Soviel dazu.) – Grace war aber erstaunlich kompetent, nett, konnte sich alles merken und war überhaupt gut drauf. Auf jeden Fall war der Abend lang und lustig.

Am Samstag haben wir dann Kultur gemacht. War sehr interessant. Wir mussten natürlich erst mal einen Führer abwimmeln, und haben dann das eine der beiden großen Gebäude angeschaut, wo man sogar einen Euro Eintritt zahlen musste. So interssant war das Gebäude aber nicht – alle Räume komplett leer. Aber die Deutschen von damals wussten, wo man Häuser baut: am Strand, mit Blick auf Hafen und Palmen!


Viel interessanter war es allerdings, das andere große Gebäude anzuschauen: Man konnte durch Türen oder Fenster reinklettern, alles war verfallen, ausgeräumt und es lebten Fledermäuse drin. Teilweise waren die Decken schon eingestürzt und an vielen Ecken durch Holzpfähle gestützt. Die Tansanische Distriktverwaltung war wohl auch mal da gewesen, zumindest lag ein riesiger Berg von Dokumenten über Zahlungen von Regierungsmaterialien aus den achtziger Jahren herum. Ich lasse mal Fotos sprechen:




Ansonsten ist der Strand von Bagamoyo auch echt schön, halt so wie in Dar es Salaam auch. Man merkt auch viel vom ehemals Deutschen Einfluss:


Während Jonathan und Stephan wegen Müdigkeit am Samstag Abend dann nach Hause fuhren, sind David und ich noch eine Nacht geblieben. War wieder nett, auch wenn es David am nächsten Morgen nicht allzu blendend ging (was aber mehr mit generellen Margen-Darm-Problemen als mit dem Abend davor zusammenhing). Daher ist er schon vor mit nach Hause gefahren, weil ich am Tag davor jemanden kennen lernte, der ein Waisenhaus in Bagamoyo betreibt, und ich mit die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte, das mal anzuschauen. War auch sehr nett, sehr einfach, aber die Kinder schienen mir glücklich zu sein. Der eine Mitarbeiter konnte zu "Friends of Don Bosco" direkt den Namen von Evans (dem Leiter, unserem Chef) zuordnen und kannte sogar einen seiner Brüder – nicht schlecht bekannt unsere Arbeit. Da Sonntag war, waren leider nur die Kleinsten da, weil die Größeren in der Umgebung Fußball spielten oder so.

Mal eine Frage. Ich bekomme ja nicht viel mit aus Deutschland. – Aber warum lasst ihr die Regierung eigentlich gerade ungehindert eine Internetzensurstruktur aufbauen?! Das wüsste ich doch mal gerne.


Es bleiben fünf Monate

7. April 2009

Die Hälfte meines Jahres ist um – es bleiben noch fünf Monate, denn ich habe meinen Rückflug auf den 5. September gebucht. In letzter Zeit regnet es hier viel, was teilweise sehr kalte Nächte bewirkt, aber teilweise auch schwül-heiße Tage – letzteres ist recht unangenehm.

Bei FDB gibt es mehr Probleme denn je: zwar funktioniert das Unterrichten hier lokal gut, wir kommen auch gut mit der Form One zurecht (ich habe gerade die Halbjahresprüfung geschrieben und gehe sie gleich kopieren), aber an Geld mangelt es wie immer. Die hier schon angekündigte Hilfe aus England ist immer noch nicht da. Die Verantwortlichen Personen sind nicht zu erreichen, weder per E-Mail, noch per SMS oder Telefon oder ihrem Kontakt bei der tansanischen Bank. Effektiv hat das dazu geführt, dass wieder mehr Kinder bei FDB wohnen – weil sie von der Boarding-School im 500km entfernten Iringa geworfen wurden, da immer noch keine Bezahlung eingetroffen ist. Das Geld dafür wäre sicherlich auf die eine oder andere Weise aufzutreiben gewesen, aber das haben wir hier (alle) nicht für nötig gehalten, da wir uns sicher waren, das Geld aus England komme bald. Einige Schulen haben uns vor dem Hintergrund, dass wir eine Organisation ohne festen Sponsor sind, eine Fristverlängerung gewährt, aber die ist nunmal nach drei Monaten ohne Bezahlung auch um.

Auch sonst sieht es nicht rosig aus, aber überleben tun wir hier. Ab und zu kommen Leute vorbei, die ein wenig Geld, Reis oder Maismehl spenden, Sonntags werden sogar manchmal ein paar Kisten Soda (das ist der allgemeine Ausdruck für alle Arten von Fanta, Sprite, Pepsi, Coca-Cola, etc.) gespendet. Vor einiger Zeit haben wir eine Hilfslieferung von Feed my Starving Children aus den U.S.A erhalten: 30 Kartons mit Multivitamintabletten und Soja-Protein-Reismischungen. Dass die Kinder hier jeden Tag eine dieser Tabletten essen, konnten wir noch nicht durchsetzen, aber der Reis wurde schon eingesetzt: vor einer Woche kam ich morgens kurz vor neun zu FDB, und fand einige der besagten Reistüten fast leer in der Nähe der Küche liegen. Fast leer heißt, dass jemand aus mehreren Ein-Kilo-Paketen jedes Reiskorn einzeln heraussortiert und alles andere (Soja-sonstwas-Brösel und nach Huhn schmeckendes pflanzliches Zeug) in der Tüte gelassen hatte, damit die Kinder Reis zum Frühstück essen konnten. Was für eine Arbeit! Und der Reis hätte doch viel besser geschmeckt mit Zusatz, fertig vorbereitet; mit einfachen Piktogrammen auf der Packung war auch die Zubereitung erklärt. Aber so ist das in diesem Land – was man nicht kennt, das isst man nicht (auch Godi hat Salat, also in seinen Augen kaltes, ungekochtes Gemüse, erst beim dritten oder vierten Mal probiert).

In den letzten zwei Wochen habe ich zwei Mal Post bekommen: Meinen verloren geglaubten Brief, der wichtige CDs enthielt sowie ein Buch, und der immerhin Ende November vergangenen Jahres losgeschickt wurde. Aber – besser spät, als nie! Außerdem kam dann auch noch direkt das zweite Paket an, das meine Eltern mir (in diesem Falle gerade 10 Tage vorher) geschickt haben, mit köstlichem Inhalt: Eine große Salami, zwei Tuben extrascharfen Senfes, drei Packungen Tee, ein bisschen Haribo, diverse CDs (auf die ich seit dem verloren geglaubten Brief Ende November gewartet hatte und nun doppelt habe) und ein paar Reclams, wegen der Bildung (vorgestern und gestern las ich Kafkas Der Proceß, sehr beeindruckend). Ich habe also nun wieder ein bisschen Musik, nachdem ich seit dem CD-Diebstahl nur noch eine einzige CD übrig hatte, und auch Lesenachschub. Vor allem aber habe ich jetzt endlich wieder Linux-CDs. Was für eine Wohltat das ist, auf einem Linux-System zu arbeiten! Ein typisch-virenverseuchtes Windows im Vergleich zu einem virenfreien und schnellen Linux ist wie der Unterschied, mit einem abgebrochenen, kurzen Bleistift und Mont-Blanc-Füllfederhalter zu schreiben –. In der Innenstadt habe ich außerdem durch Zufall einen faszinierenden Laden gefunden: dort sitzen ein paar Chinesen mit ihrer Vertriebsleiterin, sowie zwei Afrikanerinnen (die Kiswahili und Englisch sprechen) und verkaufen Computer. Rechts an der Wand stapeln sich Computer, links sitzen ein paar der Chinesen an einer 15 Meter langen Werkbank, auf der diverse Computer aufgeschraubt liegen, sowie ein paar Festplatten und Tastaturen. Auf zwei Meter Höhe hängen vier Monitore, vor den Monitoren liegen irgendwelche Prozessoren falsch herum; unter der Werkbank stapeln sich diverse, nicht eingepackte Mainboards. Sitzgelegenheiten gibt es diverse: Computergehäuse, keine Stühle. Ein sehr sympatischer Laden auf jeden Fall, in dem ich zwei neue Festplatten für wenig Geld erstanden habe, und mit deren Hilfe nun endlich wieder der Computer im Office funktioniert (auch wenn ich für die Einrichtung mehrere Tage benötigt habe, ist alles nicht so einfach mit schlecht raubkopiertem Windows und dauernden Stromausfällen bzw. -schwankungen).

Am Donnerstag hat dann unsere Form One Ferien, und ich werde ein bisschen alleine durch den Süden des Landes reisen: Erst in das 900km von Dar es Salaam entfernte Mbeya, später dann vielleicht Njombe oder Songea. Das wird sicher interessant!

Ein Wort noch zum Tee, den ich mir schicken ließ: In diesem Land habe ich weder Tee noch Kaffee getrunken, der wie guter Tee bzw. Kaffee geschmeckt hat. Und das, obwohl Tansania Tee- und Kaffeeproduzent ist! Der schwarze Tee hier ist erträglich, ist aber immerhin auch quasi Nationalfrühstücksgestränk. Ich schreibe aber nach meinem Urlaub mal einen Bericht darüber, wie dieses Land wirtschaftlich dasteht und warum es hier keinen guten Kaffee gibt.


Urlaub in Mbeya und Igurusi

23. April 2009

Am Tag den man Karfreitag nennt bin ich mit dem Bus nach Mbeya losgefahren. Am Tag davor war ich den Mittag über in der Innenstadt gewesen, und hatte auf dem Rückweg in Ubungo (der zentralen Busstation und westlicher Verkehrsknotenpunkt, geographisch und von der Funktion vergleichbar mit Hamburg-Altona) mein Busticket für den nächsten Tag gekauft. Aber Ticket-Kaufen ist ein Kampf hier, und man sollte nicht müde in einen Kampf gehen – daher war es unausweichlich, dass ich nicht genug Kraft hatte einen guten Preis rauszuschlagen (weil man dafür fit und voller Energie sein muss, um dutzende von Leuten abzuschütteln, die einen alle in eines der über 40 Offices ziehen wollen). Freitags stand ich also morgens um kurz nach vier auf, wartete auf den Pick-Up an die große Straße und nahm von da aus einen Dalla-Dalla nach Ubungo. Um sechs sollte der Bus fahren, um kurz vor sieben gings dann auch los. Ich saß neben einer jüngeren Mutter, mit der ich mich des längeren Unterhielt. Ab und zu unterschätzt man die Leute hier einfach: während ich eine leicht überforderte Mutter sah, wahrscheinlich auf dem Weg zur Familie über Ostern, und deren Kind ich hielt, damit sie das mit dem Gepäck hinkriegt, stellte sich später raus, dass sie in Dar war, um ihr Master-Zertifikat Mathematik abzuholen – so kann man sich irren! Mit dieser Frau unterhielt ich mich länger (die erste Stunde auf Kiswahili, bis sie dann irgendwann durchblicken ließ, dass sie auch Lehrerin ist, und ziemlich gut Englisch spricht), unter anderem auch über das Thema Unterrichtssprache, wobei ich die Meinung vertrat, dass man diese auf Kiswahili ändern sollte. Sie hatte aber einen guten Punkt, bei dessen Betrachtung ich mir nun nicht mehr ganz sicher bin, ob diese Änderung der Sprache wirklich viele Probleme lösen würde: die Übersetzung der Schulbücher. Was sich trivial anhört, ist es aber nicht: Jeglicher Schulstoff, der über bloße Grundkenntnisse hinausgeht, wird auf Englisch unterrichtet – was wiederum bedeutet, dass es einfach keine Vokabeln in Kiswahili gibt, um Fächern wie Physik, Chemie oder Mathematik gerecht zu werden! Deutsch, Französisch, Englisch – das sind Sprachen, die von Wissenschaftlern benutzt wurden, und viele der in diesen Wissenschaften verwendeten Begriffe kommen aus dem Lateinischen oder Griechischen, sind also diesen Sprachen nicht so fremd; so hat beispielsweise die Entdeckung von Kohlenstoff (engl.: carbon) zu verschiedenen Namen in verschiedenen Sprachen geführt, je nachdem, mit was die Wissenschaftler das in Verbindung gebracht oder wie sie es entdeckt haben (die deutschen Wissenschaftler haben den Kohlenstoff wahrscheinlich aus Kohle extrahiert...). – Ansonsten habe ich die 13 Stunden damit verbracht, ein 400-Seiten-Roman durchzulesen. Im übrigen brauche ich keine Safari mehr zu machen (was ich auch gar nicht vorhatte – das Preis-Leistungs-Verhältnis ist das in meinen Augen einfach nicht ansprechend), denn der Bus fuhr auf der Fahrt durch den Mikumi-National-Park, was ich so richtig erst bemerkte, als der Bus abrupt bremste, um einer Elefantenherde die Überquerung der Straße zu erlauben. Ansonsten habe ich noch Giraffen und Nilpferde und mehr Elefanten und so kleine Wildkatzen gesehen.

Leider ist der Bus später als angenommen in Mbeya angekommen. Das Gästehaus mit Namen Warsame kannte niemand der um mich herum sitzenden Leute im Bus, und leider konnte auch niemand von denen eine Karte lesen, schade. Im Endeffekt hätte ich das leicht finden können, bin dann aber doch mit einem Taxi gefahren; der Taxifahrer kannte das Gästehaus nicht, hat mich zu einem Hotel gebracht (Preisklasse: vier mal so teuer), und als ich dann meinte, einfach nordwestlich vom Markt, haben sie mich komisch angeguckt. Im Endeffekt blieb ich dann für die eine Nacht in einem schäbigen Hotel. Am morgen stand ich dann um sechs auf, um ein bisschen die Stadt kennen zu lernen, und keine zweihundert Meter entfernt, genau da, wo ich's erwartet hatte, war das gesuchte Gästehaus – in das ich dann direkt einzog. Der Reiseführer sprach von one of Mbeya's cheapest options, was man bei 4000/= pro Nacht, also ca. 2,50€, nicht anders sagen kann. Während Warsame mit grubby, shared facilities aufwartete, waren die surprisingly decent rooms erstaunlich groß, mit Bett, Tisch, Stuhl und Sessel, kurz: angenehm. Bis zum Ende meines Aufenthalts in Mbeya habe ich dann dort gewohnt, und auch die Leitung war sehr nett. Da habe ich doch zum ersten Mal seit nunmehr fast sieben Monaten eine warme Dusche genossen!

Den ersten wirklichen Tag in Mbeya habe ich dann damit verbracht, viel zu lesen und ein bisschen die Stadt zu erkunden. Die Straßen sind fast alle Nord-Süd- bzw. Ost-West-ausgerichtet, mit einem Markt im zentralen Block, was die Orientierung einfach macht. Von der Stadt habe ich kein einziges Foto gemacht, weil sie (abgesehen von einem günstigen Hotel und günstigen Essen) nichts zu bieten hat. Alte, verfallene Häuser, viele Lehm-Wellblech-Konstruktionen. – Was die Stadt aber interessant macht, sind das Wetter und die Berge drumherum. Mbeya liegt auf knapp 1700 Meter Höhe, und ist daher wirklich sehr angenehm vom Klima (wahrscheinlich in etwa so, wie es in Deutschland gerade ist). Morgens bis ca. neun Uhr so kalt, dass man einen Pullover braucht, den Tag über fast wolkenfrei, mit einer Sonne, die angenehm wärmt, aber trotzdem nicht weniger stark ist als in Dar es Salaam – da ist Vorsicht geboten.

Am Ostersonntag bin ich dann kurz nach fünf Uhr aufgestanden, weil ich ein wenig in die Berge wollte, um einen schönen Sonnenaufgang zu sehen. Am Fuß des Berges beginnt Mbeya, dörflich zu werden, und ich dachte mit in meiner Naivität, dann gehe ich halt durch die Dörfer durch, und dann in die Berge. Ist aber nicht so einfach, denn: in den Dörfern gibt es Hunde, und den Weg nach oben kannte ich nicht genau. Das heißt konkret: ich ging da eine ganze Stunde herum, immer so weit, bis auf einmal ein Hund mich anbellte, und ich lieber umgekehrt bin, einen anderen Weg zu suchen. Als die Sonne dann aufgegangen war, waren endlich auch Menschen unterwegs, die ich nach dem Weg fragen konnte. Also habe ich mir aufs Geratewohl einen Berg im Westen ausgesucht, der nicht so hoch aussah (vielleicht 2000m), und habe nach dem Weg gefragt. Später habe ich jemanden getroffen, der zufällig auch über den Berg rüber in sein Dorf gehen wollte, und der hat mich bis nach oben gebracht. Nette Aussicht! Die Berge sind komplett mit Feldern bedeckt, hauptsächlich Kidney-Bohnen, Weizen, Sonnenblumen und Mais. Einen gegrillten Maiskolben bekommt man da am Straßenrand für 200/=, also knapp über 10 Cent. Ich habe dann zwei Stunden auf dem Gipfel relaxt und ein Buch gelesen, und dann den Abstieg in Angriff genommen. Von oben durch die Dörfer runter ist kein Problem... – Wieder im Warsame angekommen, klebte ein Zettel von Marisa an der Tür: sie war ins gleiche Gästehaus eingezogen. Also war ich doch nicht mehr ganz alleine.







Anstrengend war es, dass sich dauernd und ohne Nachfrage diverse Leute als Guide anboten. "Alleine Wandern ist gefährlich", "Der Weg ist schwer", "Ich bin ganz billig"... aber so jemand schätzt am Wandern nicht das was ich schätze: Ruhe, Natur, Entspannung, sondern: Geld von mzungus. Während ich mich sogar morgens aus dem Hotel stehlen musste, mit einer Ausrede wie "ich gehe auf den Markt", damit keiner der Leute mich führen konnte, lernte Marisa durch einen dieser aufdringlichen Leute, dass es einen anderen Deutschen gebe, der auch wandern wollte. Dieser Jemand hieß Frank und war schon jenseits der 40 angekommen, ein echter Weltenbummler, der schon überall war: Wandern in Nepal, mit einer Dau von Madagascar aufs Festland, diverse Monate im Urwald Südamerikas und so weiter. Er erzählte zwar viel, aber auch viel interessantes.

Wirklich viel ist gar nicht passiert – was erwartet man auch von einem Entspannungsurlaub? – Aber ich will euch noch ein paar nette Fotos zeigen. Des einen morgens, am Tag bevor ich wieder aus Mbeya los bin, stand ich mit Marisa morgens um kurz nach vier auf, um einen schönen Sonnenaufgang zu sehen. Am Tag davor hatte ich den Weg erkundet (einer der wenigen, die nicht durch die Dörfer gingen), so dass wir keine Probleme hatten. Als wir auf etwas über 2000 Meter Höhe waren, wurde der Berg wieder flacher, es gab mehr Felder (Mais, Bohnen) und plötzlich – immer noch Vor-Dämmerungs-Dunkelheit – stehen wir vor einem Haus. Huch! Anderer Weg, eine Minute später: wieder ein Haus. Da war ein ganzes Dorf, unsichtbar aus der Stadt weil in einem kleinen Tal mitten im Berg gelegen, das wir durchqueren mussten. Allerdings war die Sonne schon fast aufgegangen, so dass wir von der Durchquerung absahen und statt dessen wieder ein bisschen runtergewandert sind, bis wir den Sonnenaufgang einigermaßen sehen konnten. – Das war das erste Mal, dass ich mir gewünscht hätte, mehr Geld für meine Kamera auszugeben, denn meine jetzige ist nicht in der Lage, die Belichtungszeiten manuell zu justieren. Schade.



Nachdem ich aber den Berg nun zweimal angefangen hatte (Erkundung und Sonnenaufgang), wollte ich am Tag meiner Abreise aus Mbeya denn doch noch mal hoch. Mir hatte jemand erzählt, dass man da locker in 1,5 Stunden hoch kommt. Schlussendlich habe ich ca. eine Stunde bis durch das Dorf gebraucht. Dort haben mit dann die Leute geholfen, den Weg zu finden (obwohl ich ihnen sagte, dass ich kein Geld habe). – Was für ein elendiges Stadtkind ich doch bin! "Geh bis zu dem Kartoffelfeld da vorne, bieg dann nach rechts ab und geh in den Wald am Hang", sagten sie mir – aber ich kenne Kartoffeln nur aus Jutesäcken. Klar, ich weiß, dass Kartoffeln Knollengewächse sind, und dass zum Beispiel die Jain keine Knollengewächse essen (weswegen man auf Langstreckenflügen dem gerechte Menüs bekommen kann), aber – wie Kartoffelpflanzen aussehen, das weiß ich nicht. – Der Weg stellte sich im Endeffekt doch als sehr lang heraus. Das liegt vor allem daran, dass es Wege nur da gibt, wo sie auch benutzt werden. Die Leute, die auf dem Berg leben, interessieren sich nicht für den Gipfel (auf den die Schlaumeier-Regierung im Übrigen eine Antenne gebaut hat, so dass er nicht zugänglich ist). Daher gibt es keinen Weg nach oben. Der Weg, der mir gewiesen wurde, führte von der Süd- um die Ost- auf die Nord-Ostseite des Berges. Da es morgens war (Sonne im Osten) habe ich einen schönen Sonnenbrand davon bekommen, der Berg, den ich besteigen wollte, zu 270 Grad zu umrunden. Dann kam ich am Ende des Weges an: ein Fichtenwald. Der Weg war lediglich dazu da, Holz ins Dorf zu bringen. (Mir kamen auf dem Weg auch diverse Frauen – ausschließlich – entgegen, mit grob geschätzt 20kg Holz auf dem Kopf – habe ich erzählt, dass es "etwas auf dem Kopf tragen" auch als Verb gibt? – -twisha.) Ab diesem Wald gab es dann keinen Weg mehr, ich bin halt irgendwie durch die Landschaft, oder da, wo bei Regen das Wasser runterläuft, hochgekrochen (mit teilweise guten 100% Steigung). Dann war ich bei der Antenne, bin aber dann ein wenig auf den anderen Gipfeln rumgeklettert, bis ich die Stadt sehen konnte. Zwischendurch habe ich mir den Gipfel mit zwei Kühen und einem Bullen teilen müssen. Ich habe nachgegeben. – Fazit: Auf knapp 2700 Meter, immerhin Zugspitzenhöhe, in T-Shirt, Jeans, Turnschuhen, einer kleinen Packung Kekse und einem halben Liter Wasser raufklettern ist definitiv machbar in diesem Land, auch wenn ich ca. sieben Stunden in der prallen Sonne unterwegs war.




Wieder unten, habe ich ein bisschen was gegessen und bin dann mit Gepäck ein Busticket kaufen gegangen, weil ich nach Igurusi weiterwollte. Da habe ich mich aber schön verarschen lassen! – Nachdem ich ein Ticket hatte, bat ich die Leute, mir mit dem Weg nach Igurusi zu helfen. Ich hatte mir eingebildet, dass es nach Igurusi nur 1500/= kostet, war mir aber nicht mehr sicher ob ich nicht den Namen verwechselt hatte, und das der Fahrpreis woanders hin war. Der Verkäufer des Bustickets zurück nach Dar es Salaam (was ich güngstig bekommen habe: 25.000/=, andere Afrikaner haben teilweise 28.000/= gezahlt – yeah!) brachte mich dann zu anderen Leuten, die mir dann ein Ticket für Igurusi verkauften, für 5,500/=. Dann brachte mich dieser Mensch zu einer anderen Station, von wo der Bus abfahren sollte – an der prompt einer der Busse stand, die für 1,500/= nach Igurusi fahren, ich hatte mich also nicht geirrt. Also meinte ich zu meinem Verkäufer: Du hast mich angelogen, ich habe Dir gesagt, dass es nur 1,500/= kostet, gibt mir mein Geld zurück. Woraufhin er argumentierte, das Geld hätte ich anderen gegeben, die sich davon mittlerweile Bier gekauft hätten, – verarscht. Ich wäre ohne zu zögern zurückgefahren um die Leute zu finden (auch wenn drei Euro ein lächerlicher Betrag sind – aber es geht ums Prizip!), allerdings war das Problem, das vor mir der vorletzte, vielleicht sogar letzte Bus in diese Richtung stand – so dass ich im Endeffekt gezwungen war, die 5,500/= zu vergessen, und noch mal 1,500/= für das Ticket zu zahlen. Dumm gelaufen – das passiert, wenn man nicht aufpasst.

Aber warum Igurusi? – Am Tag, bevor ich nach Mbeya losgefahren bin, war ich echt genervt. Bei FDB lief mal wieder nichts, viel zu Leute wollten irgendwas unwichtiges von mir, und eigentlich wollte ich nur nach Hause und entspannen. Da ich aber den ganzen Tag über noch nichts gegessen hatte, habe ich in Kimara gestoppt, um noch eine Portion Chipsi zu essen (wie Pommes Frites). Da traf ich dann mehrere ältere Leute, mit denen ich mich dann etwa eine Stunde unterhielt. Einer war eine echt bizarre Gestalt: Er Sprach kaum Kiswahili, amerikanisches Englisch und trank die ganze Zeit Brandy mit Wasser gemischt. Er war mit seiner adoptierten Tochter und ihrem Sohn unterwegs, im Copyshop bei der Bar irgendwas vorbereiten. Mit diesem Mann unterhielt ich mich eine längere Zeit, und als ich sagte, dass ich morgen nach Mbeya führe, sagte er, ich müsse auch nach Igurusi: dort lebe "sein Sohn". So wirklich viel habe ich darauf aber nicht gegeben, denn er hatte auch erzählt, dass er in der gleichen Straße wie Julius K. Nyerere gewohnt hatte (der erste Präsident von Tansania, baba wa taifa, Vater der Nation oder kurz Mwalimu, Lehrer genannt) und die Großmutter von Obama persönlich kenne (was sich später als wahr herausstellte, zumindestens bestätigten das alle anderen). – Dieser Alte schleppte mich dann mit zu sich nach Hause und rief Ndingo an, seineszeichens Parteisekretär der CCM (Chama cha Mapinduzi, "Partei der Revolution") in der Mbeya-Region (Webseite).

Die CCM ist sowas wie die Einheitspartei hier. Anders kann man das fast nicht nennen, bei den vergangenen Wahlen pendelten die Ergebnisse, abhängig von den Regionen, irgendwo gut oberhalb von 80% der Stimmen; in jedem Dorf steht so ein kleines, in den Parteifarben (gelb-grün) angemaltes Treppchen mit Fahne, das, sofern Mitteilungsbedarf besteht, vom mjumbe bestiegen wird. Mjumbe übersetzt man am besten mit Messenger, Nachrichtenüberbringer. Sobald man nicht mehr direkt in der Innenstadt ist, gibt es pro zehn Häuser einen mjumbe, der der Ansprechpartner in diversen Problemen ist: bevor man die Polizei ruft spricht man mit dem mjumbe. Diese Leute sind aber so gut wie alle CCM-orientiert, und beeinflussen daher auch wesentlich die politische Meinung der Leute, die um sie herum leben.

Der Alte, den ich in der Bar getroffen hatte, war eine echt kontroverse Gestalt. Als es ans Bezahlen ging, sagte er: Jungs, ich habe kein Geld. Zum Beweis kehrte er seine Taschen um, und hatte tatsächlich sieben Hundert-U.S.-Dollar-Scheine dabei. Also nichts, womit man in diesem Land bezahlen könnte...

Was aber Ndingo anging, so hatte er die Wahrheit erzählt: Er rief ihn an, sagte I have a mzungu here I'd like you to take care of und das war das. Ich hatte mich eigentlich für den Ostersamstag angemeldet, aber als ich auf der Busfahrt fragte, ob ich denn einfach in Igurusi aussteigen solle, teilte er mir mit, dass er gerade auf dem Weg nach Dar es Salaam sei und da ein paar Tage bliebe – afrikanische Verlässlichkeit. Daher bin ich erst nach Mbeya, und auf dem Rückweg über Igurusi gefahren.

Igurusi ist ein kleines Dorf an der Straße; die Straße hat keinen Namen, aber es ist die einzige geteerte Straße in einem großen Umkreis, und sie führt in die eine Richtung nach Malawi und Zambia, und auf der anderen Seite nach Iringa. Die Straße ist ungefähr in dem Zustand wie Feldwege rund um Hamburg und einspurig in beide Richtungen – immerhin eine der bedeutendsten Straßen für den Handel mit Tansanias Süden. Der Grund dafür ist, dass das Klima ziemlich perfekt zum Reis- und Maisanbau ist – die Tansanier schaffen es teilweise, drei Ernten pro Jahr einzufahren (weil es Jahreszeiten ja so gut wie gar nicht gibt, selbst im Süden). – Direkt hinter dem Dorf beginnen die Reisfelder (auf dem Bild im Vordergrund). Das Wasser für die Bewässerung (Reis muss ja im stehenden Wasser wachsen) kommt aus einem Bergbach und wird über aus Beton gebaute Kanäle auf die Felder geleitet, die ganz leicht terassenförmig in Richtung der Berge angelegt sind. Und so schön das ist: stehendes Wasser ist das perfekte Brutgebiet für Mücken, und daher haben die Leute zwar viel zu Essen, aber auch ein großes Problem mit Malaria. (In Mbeya war es so hoch und kalt, dass es kaum bzw. keine Mücken gab.) Und schon wieder ich elendes Stadtkind: Trocknen die da Sägespähne? Und wer kauft Säckeweise Sägespähne?! – Klar kenne ich Reisfelder (ich habe ja schonmal Vietnam-(Anti-)Kriegsfilme gesehen, klar), aber ich habe noch nie gesehen, wie aus der Pflanze Reis zum Essen wird. Für die, die's genau so wenig wie ich wissen: die Reiskörner sind quasi "einzeln eingepackt", und müssen erst getrocknet werden, und dann muss die Art Schale abgemacht werden (so wie Korn dreschen oder so vielleicht) – entweder per Hand, oder mit Maschinen. Wieder was gelernt. (In Kiswahili gibt es vier Wörter für Reis, von denen zwei gekochten, eines ungekochten und eines "noch nicht ausgepackten" Reis bezeichnen. Überhaupt Reis: In Deutschland fand ich Reis immer langweilig. Aber ich habe Reis hier echt zu schätzen gelernt: schmeckt immer gut, macht satt, aber nicht müde... aber ich habe vorher auch noch nie Reis gesehen, der nicht in Beuteln, UncleBen's-Style, eingepackt war und so gekocht wurde – hier muss man den Reis erst "entsteinen" und dann ein paar mal waschen.) – Das Dorf lebt also davon, dass sie Dar es Salaam und andere große Städte mit Reis und Mais versorgen. Aber die Dorfbewohner sind wirklich arm. Aber man stelle sich vor, was in einem Dorf, was vom Reisanbau lebt, eine Schüssel Reis kostet – überleben tut man irgendwie. Die Mbeya-Region (vergleichbar mit einem mittelgroßen Bundesland) hat außerdem die höchste HIV/Aids-Infektionsdichte, über 15% der Bevölkerung. – Fazit: Ein nettes, verschlafenes Dorf, in dem einem unmittelbar bewusst wird, wie undglaublich reich Dar es Salaam eigentlich ist.

Eigentlich wollte ich nur einen Tag in Igurusi bleiben. Ich hatte ein Ticket für zwei Tage später gekauft und kam abends in Igurusi an. Ndingo schmiss gerade eine kleine Party mit diversen Parteimitgliedern der CCM und ließ mich daher von der Straße mit einem Jeep abholen, sein Haus war ja auch immerhin fast 300 Meter von der Straße entfernt. Mit wem ich mich wieder ein bisschen unterhielt war der Regional Commissioner der Mbeya-Region, vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten. Den, so wie auch einen mwenyekiti (wörtlich übersetzt Stuhlhabenden, also eine Art Parlamentsmitglied), hatte ich schon zwei Tage vorher auf meinem ersten Treffen mit Ndingo getroffen, in einem der besseren Hotels Mbeyas. (Das war auch das erste Mal, dass ich hier stilvoll trinken war – auch wenn der Vodka in Tansania gebraut war: gepflegte Unterhaltung, Stofftischdecken, keine Musik und nicht im Freien bzw. unter Wellblech.) Diese Tansanier sind herrlich: da fährt der Regional Commissioner ein Auto (oder, besser gesagt: er lässt sich fahren, er will ja trinken und sich ausruhen) – und die Nummernschilder des Autos sagen lediglich MB RC – Mbeya Regional Commissioner. Wenn er einen Groll gegen jemanden hegt, dann ist er auch dazu berechtigt, die Polizei zu kommandieren, diesen jemand festzunehmen... – Ansonsten sind die Politiker hier in diesem Land gar nicht so verschieden von deutschen Politikern: sie trinken in der Regel sehr viel und haben in der Regel wenig Ahnung von der Sachlage, die sie vertreten. Mit einem der Leute in einer nicht ganz so hohen Position unterhielt ich mich auch ein bisschen, irgendwann kamen wir auf meine Arbeit, von da auf Armut – und er hat doch tatsächlich behauptet, dass sie in diesem Land kaum ein Problem mit Armut hätten. Er hat Tansania immer mit den umliegenden Ländern verglichen, wobei, glaube ich, auch da Tansania nicht allzu gut dasteht. Ich habe mich dann vorgetastet, und mal nach seiner Meinung zur finanziellen Situation gefragt – und er hat steif und fest die Meinung vertreten, der Tansanische Schilling sei eine starke Währung, und: Inflation gebe es nicht. (Tatsächlich liegt die Inflation bei sieben Prozent.)

Der eine Tag Igurusi ging dann auch schnell rum: morgens um acht aufgestanden, ein bisschen das Dorf erkundet, dann denjenigen getroffen, den alle nur mjomba (Onkel) nannten: ein netter, etwas dicker Moslem, 47 Jahre alt, "frühpensioniert". Ndingo hatte ihn angewiesen, mir Igurusi zu zeigen, und das tat er auch – durch ihn weiß ich jetzt mehr über Reis als vorher, weil er mit mir per Fahrrad die Reisfelder erkundet hat. Nach einem Mittagessen schlief ich ein bisschen, und dann war der Tag auch schon fast vorbei, bald gab es Abendessen. Aber was für Essen: die Familie hatte mehrere Angestellte, die sich um die Kühe, Hühner und Ziegen kümmerten, kochten, aufräumten, etc. – und es gab bei jedem Essen sowohl Reis, als auch Spaghetti, Bohnensoße, Fleisch und Salat. Als Fleisch zwei mal Huhn, zwei Mal Rind, und einmal Huhn und Ziege gleichzeitig. So gut und viel und abwechslungsreich habe ich schon lange nicht mehr gegessen! Morgens außerdem sechs Scheiben Labberbrot, zwei hartgekochte Eier und drei kleine Bananen – auch ein harter Kontrast, weil ich sonst morgens, wenn überhaupt, eine Tasse Tee trinke hier. – Übernachtet habe ich, kostenlos, im Gasthaus zwei Häuser weiter, das Ndingos Schwester gehörte. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul: daher störte mich der Schimmel an den Wänden, das Blut auf dem Kopfkissenbezug und die dreckige, nicht wirklich abfließende Dusche/Toilette mit spärlicher Wasserversorgung nicht besonders.

Am nächsten morgen stand ich dann also um halb sechs auf, weil der Bus um 6:15 an Igurusi vorbei fahren sollte. Als der Bus um kurz vor acht immer noch nicht da und ich, zitternd vor Kälte, langsam ungeduldig geworden war, rief mein mjomba für mich an, und erfuhr, dass der Bus kaputt sei, heute nicht fahre, und ich einen anderen Bus hätte benutzen sollen – und obwohl die Busgesellschaft meine Telefonnummer hatte, hatten sie mich davon nicht in Kenntnis gesetzt. In mir keimte schon der Verdacht hoch, dass sie mich vielleicht auch mit dem zweiten Ticket verarscht hätten – aber mjomba nahm das alles nicht so tragisch, und so ging ich also wieder zurück und packte meinen Rucksack wieder aus. Dann setzte ich mich mit einem frischen Buch (Ian Rankin) in die Sonne und las den ganzen Tag. Ich habe mich keine 30 Meter weg vom Gästehaus/Haus von Ndingo bewegt. Mjomba bestellte sich eine Pepsi auf meine Kosten (die hier besser als Coca-Cola in Deutschland schmeckt, merkwürdigerweise) und – schlief. Schlief – bis das Hausmädchen ankam, und er, mittags um ein Uhr, das erste Mal etwas zu tun hatte: das Huhn für's Abendessen schlachten. – Denn, man muss wissen: das sind gute, gottesfürchtige Christen, die töten keine Tiere, sondern essen sie nur. Das Töten übernimmt der Moslem – das aber macht er immerhin richtig, also nach Osten geneigt (bzw. in diesem Land eher nord-nord-östlich, in Richtung der Ka'aba in Mekka) und mit komplett ausbluten lassen. Am nächsten Tag aber kam der Bus, fast pünktlich (gerade mal zwei Stunden Verspätung) und abends war ich wieder in Dar es Salaam. – Kaltes Wetter, gute Luft, gutes Essen, schöne Berge, fünf Romane, alles in allem: ein sehr entspannter Urlaub.


Regnerisch und nervig

12. Mai 2009

Momentan gefällt es mir nicht allzu gut hier in Tansania. Wir sind hier gerade mitten in der großen Regenzeit. Ich mag ja Regen schon in Deutschland nicht, aber im Vergleich zu hier ist Regen in Deutschland ja fast angenehm. In dem Viertel der Stadt, in dem ich lebe, gibt es – abgesehen von der einen großen Straße, der Morogoro Road – keine geteerten oder anderweitig befestigten Straßen. Was bedeutet, dass, sobald es regnet, die Straßen schwimmen und stundenlang lehmig-rutschig-klebrig sind. Außerdem fällt der Strom auch ab und zu aus wenn es doll regnet. Auch stellt sich immer die Frage: Schuhe oder Flipflops? Schuhe werden dreckig und durchnässt, Flipflops gehen kaputt – letztens ist mir der linke kurz nach dem Verlassen des Hauses und der rechte beim Taxi-aus-dem-Straßengraben-ziehen kaputt gegangen. – Zusammengefasst: Ich mag die Regenzeit gar nicht gerne, und sie verbessert schon gar nicht meine Stimmung. Ich freue mich, wenn's wieder heißer und trockener wird...

Ansonsten bin ich die letzten zwei, drei Wochen wirklich genervt von diesem Land. Irgendwann entzaubert sich alles. Man versteht die Leute, wenn sie im Bus reden, oder mir hinterherrufen oder mich betrunken anlabern und irgendwie erscheint es mir alles belanglos. Irgendwie betrügen und bescheißen sich alle gegenseitig bei jeder Möglichkeit, und versuchen möglichst asozial zu sein. Die Frauen sagen, sie wollen einen europäischen Freund, weil die Afrikaner untreu sind. Die Männer sagen, sie wollen eine europäische Freundin, weil die Afrikanerinnen untreu sind und immer nur Geld wollen. Beide sagen einstimmig, dass Afrikaner keine "wahre Liebe" kennen. Alle wollen sie möglichst schnell Geld, am besten ohne zu arbeiten. – Dieser Stoizismus bei den Leuten, das ist unglaublich – vor allem im Auto. Wenn zu belebteren Stunden keine Polizisten den Straßenverkehr regeln, verkeilen sich die Autos. Wortwörtlich, möchte ich sagen: die von links auf die Straße kommenden fahren so nah an den stockenden Verkehr heran bis ein Fahrer aufgibt und ein Auto reinlässt, und dann ist es zu spät, denn die zweite Spur lässt das Auto nicht rein. Die linke Spur ist blockiert, die anderen von links kommenden Autos sind nachgerückt, und geben keinesfalls auch nur zehn Zentimeter her. Die Autos, die eben noch stockend vorankamen, rücken möglichst weit auf, was zur Folge hat, dass die Kreuzung effektiv zur Hälfte blockiert ist. Die, die den Stau umzirkeln wollen, bleiben auf der Gegenspur stecken. Da geht wirklich nichts mehr vorwärts oder rückwärts! Meist wird dann der Stau von den unmittelbar Betroffenen "gelöst", also von denen, die komplett verkeilt in der Mitte stehen und nach fünf Minuten des Hupens merken, dass das nichts mehr wird, wenn nicht jemand was tut. Super, ihr Leute!, denke ich dann immer. Zum Glück kann ich kein Auto fahren. – Was ich hier über diese Leute erzähle ist natürlich eine nicht gerechtfertigte Vergeneralisierung, aber momentan kommt es mir einfach wirklich so vor und ich bin genervter denn je, wenn ich unterwegs bin und durch die Straßen laufe.

Was mir auch einfach fehlt sind intellektuelle Herausforderungen. Wenn ich aber überlege, wann ich das letzte mal ein interessantes Gespräch mit einem Afrikaner geführt habe? – Ich meine, die Gespräche hier sind immer die gleichen! Man beginnt damit sich zu begrüßen, dann kommt die unausweichliche Frage wo man herkommt, und wenn die Leute dann wissen, dass man aus Deutschland kommt, dann kommt machmal ein "Guten Morgen" oder "Alles klar?", aber im Zweifelsfall immer nur "Michael Ballack!" oder ein komisch genuscheltes "Schweinsteiger". Sitzt man in einer Bar, kommt nach kurzer Zeit unausweichlich die Frage, ob man nicht eigentlich Bier spendieren will. Croesus non sum, denke ich dann immer, und muss erklären warum ich hier nicht jeden einladen kann. Logischerweise wollen die Leute wissen, was man in Tansania macht, dann erklärt man ihnen, dass man Arbeit ohne Bezahlung verrichtet, und dann staunen sie und/oder sagen "Ihr helft unserem Land sehr". Und dann kommt die Frage, wann man zurückfährt, und ob man betreffende Person nicht mitnehmen kann. Ungelogen, das passiert in locker über 80% der kürzeren Gespräche, die ich hier mit Unbekannten habe! Gestern traf ich eine Mutter, die mir ihr 3-jähriges Kind mitgeben wollte, so dass es mit nach Deutschland nehme. Und das meinte sie ernst! – Was immer lustig ist, ist, wenn Leute einen überzeugen wollen, dass man mehr in die Kultur eintauchen muss. Die Leute verstehen es einfach nicht, dass man nach 14 Stunden Dauerkulturaustausch vielleicht mal über europäische Angelegenheiten mit Deutschen reden will. – Um auf den Inhalt der Gespräche zurückzukommen: es ist immer das gleiche, und mittlerweile hat man so seine Standard-Antworten auf die Stadardfragen. Ausnahmen sind selten: Ich erinnere mich an einen Abend vor ca. drei Monaten, wo ich eine wirklich intellektuelle Unterhaltung hatte. Da saß ich beim Essen und einer Fanta vor dem Internetcafe, und unterhielt mich mit zwei Leuten, von denen der eine dem anderen, weil unser Gespräch gerade darum ging, Glasfasertechnik erklärte, und mir dann erklärte, dass einer der Handynetzbetreiber hier auf die Technik So-und-So setzt und daher knapp die hundertfache Anzahl Handys pro Zelle managen kann im Vergleich zu anderen Providern. Einmal habe ich auch jemanden getroffen, der ein Buch (also eines zum Lesen, einen Roman) dabeihatte. Einmal in sieben Monaten. Wenn ich hier ein Buch lese, dann kommt häufig die Frage, was ich denn lese. Wenn ich sage, "was denkst Du?", kommt eine der drei Antworten Bibel, Koran oder Wörterbuch. Das sind die Bücher, die der Durchschnittsmensch hier kennt. Das klingt lustig, ist es aber kein bisschen. Ich kenne bei Friends of Don Bosco keinen, der mal ein Buch in die Hand nimmt, was nicht ein Schulbuch oder die Bibel ist. (Oh, doch: vorvorgestern zeigte mir Tito, einer der Älteren hier, einen Roman, wo aus der Mitte Papier herausgeschnitten wurde, so dass man ohne Probleme ein Handy mit in die Schule mitnehmen kann ohne befürchten zu müssen, dass der Lehrer oder andere Leute es finden.) – Schöne Welt! Aber ich halte mich beschäftigt, indem ich möglichst viel Kiswahili lerne und viele Bücher lese.

Bei Friends of Don Bosco macht's aber nach wie vor Spaß. Der Unterricht läuft ziemlich gut und wir haben vor kurzem Zeugnisse ausgestellt. Das Problem ist wie immer: Geld. Manchmal komme ich morgens hier hin und rede mit den Kindern und frage, warum sie noch nicht in der Schule sind, und als Antwort kommt, dass sie 500/= (weniger als 40 Cent) benötigen, damit sie die anstehenden Prüfungskosten zahlen können, und das Geld einfach nicht da ist. (Was auch nicht ganz stimmt, denn es ist immer irgendwie ein bisschen Geld da, zumindest für die Älteren oder Lehrer.) Der Lehrer, der das Geld für die Prüfungen will, weigert sich aber, einen Brief oder eine formlose Notiz zu schreiben, dass die Kinder das Geld mitbringen müssen, alles sehr mysteriös, und so viel Aufwand um so niedrige Beträge. Aus England kommt nichts, wirklich nichts. Die großen Versprechen sind leer geblieben, auf E-Mails antworten die beiden auch nicht. Sehr blöde. – Marisa, Jonathan und ich haben am vergangenen Wochenende einen Tag mit dem Thema "Müll und Hygiene" veranstaltet, Mülleimer gekauft und viel darüber erzählt, warum Ratten und Fliegen schädlich sind, warum man Müll nicht tagsüber direkt neben den Klassenräumen verbrennen soll, warum man Wunden direkt verpflastern soll, und warum man Müll nicht einfach wo man geht und steht wegschmeißen sollte. Wir haben besonders kurze und einfache Einheiten gemacht, so dass auch die Kleineren (die immer noch auf irgendwelchen Dingen, die andere Leute weggeschmissen haben, herumkauen) die Thematik ein bisschen verstehen. – Es gibt sonst gar nicht so viel zu berichten. Ich lerne halt hier Einzelne immer besser kennen, unterrichte mal ein bisschen dies und das und tue sonst das, was gerade anfällt, Computer reparieren, mal eine Kalkulation anfertigen, einen Stecker an ein Kabel anbauen, kleine Wunden verarzten oder mich einfach nur unterhalten. Viel Zeit geht auch fürs Unterrichten in der Form One drauf. Ich habe kürzlich mal ein anderes Projekt besucht, und wollte eigentlich die nächsten Wochen noch andere Projekte besuchen, aber ich habe schon bei dem einen Besuch gemerkt, wie viel besser es mir hier eigentlich gefällt (zum Beispiel, weil unser Projekt nicht mit Mutter-Theresa-Plakaten zugepflastert ist).



Zu Hause ist es recht angenehm. Huruma ist selten da, aber wenn er da ist, verstehen wir uns gut; Godi hingegen mag mich nicht mehr wirklich leiden, habe ich das Gefühl. Ich bin nämlich eher derjenige, der sagt: "Bitte mach entweder den Fernseher oder das Radio aus, ich kann nicht lesen, wenn beide Geräte an sind und Du gleichzeitig auf mich einredest!" Dadurch, dass ich seine größtenteils belanglosen Unsinnskommentare ignoriere, reden wir nicht mehr so viel. Und ich verstehe ihn von Tag zu Tag weniger, und manchmal könnte ich mich fürchterlich aufregen, wenn ich sehe, dass er wieder im Fernsehen zappt, aber es einfach nichts gutes gibt, so dass er nach zwanzig Minuten zappen den Fernseher ausschaltet, in die Küche geht, ein Glas Wasser trinkt, und dann den Fernseher wieder anschaltet. Was ich nämlich ganz vergessen habe zu erzählen ist, dass wir jetzt ein Mädchen aus der Nachbarschaft mit Namen Rukia haben, das morgens ein bisschen zum Saubermachen kommt und Abendessen kocht, und tagsüber Wasser verkauft (weil unsere Nachbarn, die das vorher gemacht haben, ausgezogen sind). Das bedeutet für Godi, dass er fast keinerlei Pflichten im Haushalt hat. Prinzipiell könnte er also abends – er geht vormittags zur Nachhilfe und Nachmittags zur Schule – mit Freunden Fernsehen gucken oder so, stelle ich mir vor. Aber das ist nur zwei oder drei Mal in meiner Zeit hier passiert, und ich frage mich noch immer warum er denn keine Freunde hat. Vor einer Woche war sein kleiner Bruder, der in Arusha zur Schule geht (im Norden kurz vor der kenianischen Grenze) bei uns zu Besuch. Die haben sich wie Kinder ihres Alters verhalten! Sind auf einen Baum geklettert, haben viel gelacht, sich lange unterhalten, zusammen in der Stadt rumgegangen und vor dem Anschalten des Fernsehers überlegt, welche DVD sie schauen wollen. Kaum war der kleine Bruder aber wieder weg, waren Fernseher und Radio wieder an. Nach einem Stromausfall abends dauert es im Schnitt zwanzig Sekunden, bis der Fernseher wieder an ist. – In letzter Zeit haben Jonathan, Marisa und ich viel mit Alex und Sarah sowie David und Eva gemacht, vor zwei Wochen zum Beispiel eine Star-Wars-Nacht, in der wir alle sechs Teile am Stück geguckt haben. Das ist immer sehr entspannt, mal in Deutscher Gesellschaft unterwegs zu sein.

Ich freue mich schon sehr darauf, dass Anfang Juni Norbert und Susanne nach Tansania kommen, ich werde sie wahrscheinlich in Arusha treffen. Auch hat sich John angekündigt, der in meinem letzten Monat hierher kommen wird, so dass wir ein bisschen zusammen rumreisen können. Ich hoffe, dass das Wetter sich bald mal wieder ändert, dann habe ich vielleicht wieder mehr Spaß am Leben hier.


Eine kurze Rückmeldung

3. Juni 2009

Morgen fahre ich los nach Arusha, ich komme gerade vom Ticketkauf, den ich zur Abwechslung mal einigermaßen gut abgewickelt habe (18.000 Schillinge, weil ich nicht müde sondern vor der Arbeit hingegangen bin). Ich wollte nur mal eine kurze Zwischenmeldung geben und ein paar Fotos aus der letzten Zeit hochladen. Wir haben gestern mit Unterrichten der Form One aufgehört, und morgen und übermorgen werden die Halbjahresprüfungen geschrieben. Die Kinder in der Klasse werden immer anstrengender, und wir mussten letzte Woche ein Bestrafungssystem einführen – mit Strafen wie jeweils zwanzig Sätze auf Kiswahili und Englisch aufschreiben, wie: "Ich muss meinen Lehrern zuhören, im Unterricht aufmerksam sein und immer meine Hausaufgaben machen." – Nicht kreativ oder fordernd, aber wenigstens verstehen alle die Aufgabe und können nicht abschreiben.

Wetter hier ist wieder top! Regnet fast nicht mehr, was allerdings den Nachteil hat, dass das Wasser knapp (und daher teuer) wird. Ich fürchte, dass wird auch die nächsten Monate nicht aufhören. Ich habe eine Menge nette Leute an den Südstränden kennen gelernt, und bin daher in meiner Freizeit des Öfteren dort. Die Leute da sind nicht so aufdringlich und wollen nur Bier ausgegeben haben, denen reicht es auch, einfach mit einem rumzusitzen und sich zu unterhalten – sehr nett.

Zwei kleine Geschichten habe ich noch zu erzählen: erstens wurde ich bestohlen – doppelt. Ich war in froher Erwartung eines Pakets (das im Endeffekt nicht für mich, sondern für jemanden anders war – ) morgens weit vor Sonnenaufgang aufgestanden, um dem morgentlichen Stau zu entgehen. Um halb acht war ich in der Innenstadt, habe Geld abgehoben, und wurde das erste Mal bestohlen: statt der bestellten und auf dem Receipt ausgezeichneten 200.000/= (110 €) spuckte der Automat lediglich 150.000/= aus. Da ich mein Konto nur per OnlineBanking checken kann, bin ich da zu den mit Maschinengewehren bewaffneten Soldaten, die die Automaten bewachen, gegangen, und habe ihnen das mitgeteilt, nur zur Sicherheit. Da es aber noch vor acht Uhr war, und ich um kurz nach neun unterrichten musste, konnte ich nicht warten, bis die Bank aufmacht. – Den Tag über habe ich das Geld fast vergessen. Ich habe Marisa 35.000/= geliehen und fünftausend selbst verbraucht, aber nachmittags war ich mit den Gedanken woanders. Ich habe mit Barnabas eine Grundschule in Manzese besucht (sehr armes Viertel) und war später in der Innenstadt Freunde treffen, wo ich dann irgendwann abends gemerkt habe, dass das Geld (110.000/=) weg war. War einfach eine blöde Kombination von nicht aufgepasst, falsche Klamotten an (kurzes T-Shirt und Hose mit zu weiten Taschen) und Geld nicht geknickt, so dass es glaube ich sogar ein bisschen aus der Tasche rausguckte. Blöd, hätte ich leicht verhindern können, aber nun ist es weg – Geld ist nur Papier, mit ein paar Zahlen. Immerhin hatte ich unter anderem auch zwei USB-Sticks und eine Kamera in der gleichen Hosentasche... War aber letzte Woche schon bei der Bank und die schauen mal ob ich das fehlende Geld aus dem ATM zurückbekomme.

Die Zweite Geschichte ist ein kleiner Realitätsabgleich Deutschland–Tansania: Vorgestern Nacht war in unserem dorfartigen Bezirk King'ongo, nur drei, vier Kilometer Luftlinie entfernt, ein kleiner Einbruch. Ein Dieb hatte das feinmaschige Drahtgitter und Mückennetz vor den Fenstern zerschnitten und ein Telefon aus dem Raum geklaut, irgendwann des Nachts. Irgendwie wurde das aber bemerkt, und sie haben den Dieb gefasst. Wie das in diesem Land üblich ist, haben die Leute den Dieb gut verprügelt, davon ist wohl die Nachbarschaft ein bisschen aufgewacht, und im Endeffekt hat der wütende Mob den Dieb – allen Ernstes! – angezündet, bei lebendigem Leibe, im Straßengraben liegend. Wenn Leute im Affekt einen Dieb mit einem Stein erschlagen ist das ja noch gerade so verständlich, aber jemanden anzuzünden, das erfordert ja richtig Organisation! Da muss jemand erst mal Benzin oder Lampenöl holen gehen, und Streichhölzer... Ich habe die Leiche nicht gesehen (weil die jemand taktvoller Weise mit einem Tuch bedeckt hat), aber sie lag keine sieben Meter von einer der größten Kirchen in der Umgebung entfernt... christlich, christlich, Tansania!

Jetzt muss ich noch schnell die Prüfungen für die Kinder fertig schreiben, und dann gehts morgen los! Hier noch ein paar Bilder von FDB, endlich haben wir auch mal ein gutes Gruppenbild hingekriegt:





Arusha und Malaria, die dritte

20. Juni 2009

Ich bin seit ein paar Tagen wieder aus Arusha zurück. Zwar war der Urlaub nicht so entspannt und ruhig wie erwartet (von den sechs Romanen, die ich mitgenommen habe, habe ich nur zwei gelesen), dafür aber war es umso abwechslungsreicher.

Die ersten drei Nächte habe ich bei der Familie eines Freundes geschlafen, ca. 30km außerhalb Arushas Stadtzentrum. Anfangs dachte ich, ich wüde bei Freunden von ihm wohnen, denn er hatte mir nur den Namen einer Bushaltestation genannt. Dort begrüßte mich aber direkt seine typisch-mütterlich-volleibige Mutter. Zwar ist das Leben in so einer Familie einerseits komfortabel (weil man viel zu Essen bekommt), aber andererseits auch anstrengend, weil man ständig Gegenstand bzw. Teilnehmer von Diskussionen ist und immer höflich alles entgegennehmen muss: vor allem mehr Essen wenn man schon längst satt ist. Am ersten Tag bin ich mit Bill, dem großen Bruder der Mutter bei der ich wohnte (mit immerhin sechs anderen Familienmitgliedern, mehr oder weniger entfernt, in einem Drei-Zimmer-Haus), in die Stadt gefahren. Bill ist selbstständiger Safari-Veranstalter, und hatte auch dementsprechend Geld, einen Computer mit Flachbildschirm, Drucker und Internetzugang zu Hause, und viel Geld zum Fleischessen und Alkohol trinken. Der Tag fing also damit an, dass er sich erst mal mit seinem Kumpels traf, und – Fleisch aß. Halb zwölf, morgens, kurz nach meinem Frühstück. Nyama choma – gegrilltes und kleingeschnittenes Ziegen-, Rinder- oder Schweinefleisch – habe ich an dem Tag dann insgesamt drei Mal mit ihm gegessen. Das sieht dann so auß, dass man zu viert oder fünft um den Tisch sitzt, je nach Tageszeit Cola/Fanta, Bier oder später dann Gin/Vodka/Whiskey trinkt und dazu mehrere Kilogramm Fleisch mit Salz, frittierten Bananen und (sofern gewünscht) Chilli-Schoten isst. So viel Fleisch wie an dem Tag esse ich in Dar es Salaam bestimmt in einem Monat nicht, aber es war qualitativ gut und – aufgrund der Distanz zur Stadt, die (wenn überhaupt) ein Zehntel der Einwohner Dar es Salaams hat – auch sehr günstig.



Allerdings war ich nicht den ganzen Tag nur Fleisch essen und Alkohol trinken, sondern habe auch ein bisschen von der Stadt Arusha gesehen (leider nur aus dem Auto). Den größeren Teil der Tages haebn wir damit verbracht, eine – die einzige? – Tourismusmesse Tansanias anzuschauen. Wie europäisch! weiß! reich! gut organisiert! – Gemietet war ein großes grasbewachsenes Areal direkt neben dem Flughafen, wo dutzende identische Weiße Messezelte in vernünftiger Ordnung aufgebaut waren. Jeder größere Reise-, Safari-, Bergsteigungsveranstalter oder Zelt-, Safari-Auto- oder Navigationssoftwareproduzent etc., der genügend Geld hatte, konnte sich ein Zelt mieten, und es nach seinen Wünschen ausstatten und dekorieren. Die Messe wurde deshalb in Arusha abgehalten, weil es die Touristenstadt schlechthin ist: mit dem Kilimanjaro-Flughafen direkt bei, dem Berg Kilimanjaro nah und diversen Nationalparks in der Umgebung, die in wenigen Stunden per Auto zu erreichen sind, und natürlich – Hauptquartier der UN in Tansania. Die meisten Touristen interessiert sowieso nur der Norden, Dar es Salaam ist eher touristisch unrelevant, und der Süden ist so gut wie noch gar nicht touristisch erschlossen. Diese Messe nun zielte natürlich nicht auf Budget-Tourismus ab, sondern auf Tourismus, der wirklich Geld bringt. Und – wenn ich mal bald steinreich bin, dann ist das äußerst ansprechend. Am besten gefiel mir Sanctuary Retreats (etwa: Zurückziehraum für ganz alleine), an deren Stand ich zwar nur kurz vorbeigegangen bin, die aber folgendes anbieten: Sie fahren den oder die Kunden in die (ungefährliche) Wildnis, bauen dort ein Luxus-Zelt auf, lassen Wasser und Vorräte (und vielleicht Notfallkommunikationsmittel) da und dann – ist man alleine, ganz alleine; abgeschnitten von jeglicher Zivilisation; jeglichem Stress; jeglicher Möglichkeit gestresst zu werden: man liegt nur rum, liest ein Buch und guckt die Natur an (oder man fährt mit seinem/r Partner(in) und ist zu zweit allein). – Ich war alles in allem doch ziemlich beeindruckt, denn das Tourismuspotenzial Tansanias ist zwar nicht zu bestreiten, aber von der Umsetzung sieht man hier im täglichen Leben (und auch in Deutschland in der Werbung) herzlich wenig. Da ist Tansania also auf dem richtigen Weg. Ansonsten haben wir das gemacht, was man auf Messen macht: sehen, gesehen werden, Karten und Propekte austauschen und neue Geschäftsmöglichkeiten sondieren. Needless to say, der Abend wurde mit nyama choma und viel Gin abgeschlossen. Als Safari-Tourguide lässt sich's auf jeden Fall leben.




Am zweiten Tag wollte ich die Stadt alleine erkunden, aber schon an der Bushaltestelle begrüßte mich ein Jugendlicher mit Namen (ich hatte ihn noch nie gesehen). Der lud mich ein, dass er mir die Stadt zeigt. Konkret hieß das: er zeigte mir Busse von innen. Seine Freunde waren fast allesamt Fahrer oder Busbetreiber, und so habe ich fast einen ganzen Tag innerhalb eines Busses verbracht, halt jeweils mit denen, die sich gerade ausruhten. War prinzipiell nicht so ereignisreich, und wie das so ist mit Leuten, die keine Arbeit haben (und ich rede nicht von den Fahrern, keine Angst), fängt man schon früh am Nachmittag mit Alkohol-trinken an. Naja, wäre kein Leben für mich.

Als ich das erste Mal alleine in die Stadt gegangen bin, war das, um Norbert, Susanne und deren Gastgeber zum Essen zu treffen. Wegen Kommunikationsschwierigkeiten (SMS kamen in beide Richtungen nicht an) haben wir im Endeffekt nicht realisiert, dass wir die ganze Zeit fast nebenan 30km außerhalb Arushas gewohnt hatten, war aber ja auch nicht schlimm. Wir haben uns bei einem Äthiopier getroffen und dort äthiopisches Essen gegessen. Der Rest des Tages war nicht sonderlich ereignisreich, ich habe abends viel mit Norbert und Susanne geredet und geplant, in einer Bar, in der wir auch schön beim Preis beschissen wurden (ni bei ya kitalii!, das ist halt der touristische Preis!, meinte der Kellner dann halb-entschuldigend, meinte damit aber natürlich: tja, selber blöd, wenn Du bestellst ohne nach dem Preis zu fragen, denn dann hast Du schon getrunken und musst den Preis sagen den ich diktiere!).

Der folgende Tag war überraschend voll, ging aber reibungslos über die Bühne: Geplant war die Besichtigung des Krankenhauses, das von VIMZ e.V. bereits in der Vergangenheit und im Besonderen momentan beim Bau eines Schlafsaales für OP-Patienten unterstützt wird. Norbert ist Vorsitzender des Vereines für Internationale Medizinische Zusammenarbeit und war daher in seiner Rolle als Geldgeber dort, um den Fortschritt des Baus zu begutachten. Es gab ein langes Gespräch mit dem Chef des Krankenhauses, der nach wie vor den Operationssaal nicht in Betrieb nehmen kann, weil es keine genügend sterilen Bettensäle gibt. (Man will natürlich frisch Operierte nicht mit TB-, Grippe- oder Typhus-Kranken oder schreienden Säuglingen und ihren Müttern mixen.) Zweite Station war ein Treffen im Büro des District Medical Officers von Arusha, der mich nach dem Gespräch (beim Austesten meines Kiswahilis) direkt auf eine Safari einlud, sollte ich wieder nach Arusha kommen, und außerdem alle Krankenhausbaubeteiligten zu einem Essen am nächsten Tag einlud.

Da nun die beiden offiziellen Termine, wegen derer Norbert und Susanne nach Arusha gekomen waren, bereits an einem statt an zwei Tagen erfolgreich abgearbeitet waren, war der folgende Tag frei. Deswegen wurde ich auf eine Ein-Tages-Safari in den Arusha National Park eingeladen. Dieser Park ist einer der kleinsten Tansanias, rund um den Mt. Meru, einen inaktiven Vulkan dessen Ostseite des Kraters eingebrochen ist. Das gesamte Umland ist mit kleinen Seen übersäht, die allesamt alkalisch sind und daher ein perfektes Brutgebiet für Kraniche darstellen. Im Osten des Parks gibt es außerdem einen kleinen Krater, in dem ein Sumpfgebiet vielen Tieren einen Lebensraum bietet. – Zwar habe ich weder Löwen, noch Elefanten gesehen (was auch nicht zu erwarten war), aber ich bin ja sowieso kein großer Tierfreund. Faszinierend war die Natur: Bäume, die nach oben und dann wieder in Schlingen nach unten wachsen; Seenlandschaften mit dem Kilimanjaro im Hintergrund; der Krater, dessen Sumpf von oben wie Rasen aussah – generell einfach auch die Vielfalt der Grüntöne war schon beeindruckend! Tiere haben wir natürlich auch gesehen, viele Affen, Paviane, Zebras, Gazellenarten, Bisons, und – Giraffen: Ganz zum Schluss der Zeit fuhren wir quasi durch eine kleine Herde durch, die gerade über die Straße verteilt graste. Und von ganz nah sind die Tiere ja riesig! Da ist mir dann auch noch ein guter Schnappschuss von den beiden typischen tansanischen Wahrzeichen gelungen: Giraffe in Natur vor Kilimanjaro, in den Wolken ca. 50km entfernt erkennbar. ("Kilimanjaro" wird sehr viel verwendet: Diverse Hotels, Kilimanjaro-Bier, Kilimanjaro-Wasser (von Coca-Cola produziert), etc., genau so wie Giraffen, die auf Kiswahili twiga heißen: twiga-cement sowie TANESCO, der tansanische Stromversorger, benutzt die Giraffe als Logo.) – Auch wenn ich ein wenig Skeptisch mit Safaris generell war – und es immer noch bin – so hat es mich doch sehr gefreut mal wirklich eine richtige Safari mitzumachen!



Abends wurde dann ins Kibo Palace geladen, laut Reiseführer das zweitteuerste Hotel der Stadt. Norbert und Suse haben fachmännisch schnell eine Sitzordnung zusammengezimmert, bei der sie als Hauptakteure über Eck mit den politisch verantwortlichen am Kopf sowie ich mit dem Architekt und dessen Chef am Fuß des Tisches saß. So musste ich nicht an der politischen Diskussion auf Englisch teilnehmen, sondern konnte mich stattdessen über Themen wie Bier oder seinen Pass in Deutschland verlieren reden. Ich habe die zwei, drei Leute um mich herum halbe Stunden am Stück zum Lachen bringen können, indem ich einfach nur erzählt habe, wie ich hier in Tansania so lebe: typisch tansanisch, nach deren Maßstab gesehen recht ärmlich, und das als Europäer – etwas, was sie wohl noch nie gehört hatten. – Am Schluss des Abends bekamen wir drei Europäer sogar noch Geschenke überreicht: Jeweils ein Tuch, in das sich die Maassai kleiden – in der Farb-Muster-Bedeutung: "Stammesältester", "Stammesälteste", sowie "Junger Krieger" für mich.

Der Rest der Zeit in Arusha verging schnell. Ich habe noch ein bisschen gelesen und bisschen die Stadt erkundet, ein Bus-Ticket gekauft, und bin dann zwei Tage später wieder zurück nach Dar es Salaam. Faszit Arusha: Viel zu kalt, ich fror dauernd, alles überteuert, unglaublich viele Leute, deren Beruf es ist, Touristen zu nerven oder zu verarschen – dafür aber sehr nett und grün gelegen. Keine Stadt, die ich noch mal besuchen muss...

Zurück in Dar habe ich ein bisschen entspannt und viel gelesen. Ich habe von meinen Eltern zwei sehr interessante Bücher mitgegeben bekommen, und außerdem besaßen Susanne und Norbert die Weitsicht, mir Zeitungen mitzubringen: Aktuelle FR, MOPO, Hamburger Abendblatt, Stern und als Krönung – eine Zeit! Dann habe ich direkt am vergangenen Montag Malaria gehabt. Naja, fast schon "Standard", ich habe dem Arzt die Diagnose abgenommen und habe ihn nur das Blut überprüfen lassen, habe das gleiche Medikament wie immer bekommen, und mir gehts auch schon viel besser. Blöde war nur, dass Jonathan in Mwanza bestohlen wurde und ich ihm versprochen hatte Geld zu schicken. Da musste ich dann direkt nach dem Arztbesuch in die Innenstadt; sah bestimmt lustig aus, ich, mit Kapuzenpullover bei 32 Grad abwechselnd am schwitzen und vor Kälte zitternd in der Bank fast eine Stunde in der Schlange stehend. Im Übrigen wurde er gestern schon wieder bestohlen, diesmal von Fischern mit vorgehaltenen Messern. Dann doch lieber Malaria...

Gestern Abend habe ich dann Susanne und Norbert, von Sansibar mit dem Flieger kommend in Empfang genommen, ihnen eine Reisetasche mit Büchern zum Zurückbringen nach Deutschland gegeben, mich noch ein wenig mit ihnen unterhalten und sie dann zum Check-In begleitet.

Generell waren die Gespräche mit den beiden sehr anregend, weil ich auf einige Dinge eine etwas andere Perspektive gewonnen habe. Aber solche Leute reisen in so einer anderen Welt! – Wir essen ein kleines Frühstück, von dessen Kosten (5000/=, 3,50€) kann ich hier Frühstück, Mittag- und Abendessen und Wasser für den ganzen Tag kaufen, wenn ich in Straßencafes gehe! Und in so einer Welt, in der man Geldgeber oder Delegationsmitglied ist, ist natürlich auch alles mehr oder weniger gut organisiert, etwas, von dem ich einfach nicht so viel in diesem Land mitbekomme. Daher war es schade, dass ich den beiden leider nicht einmal meine Arbeit oder mein Zuhause zeigen konnte, das wäre sicher interessant gewesen.

Ich schließe für heute mit einer erschreckenden Beobachtung: Ich bin aus einer Demokratie losgeflogen, und werde wiederkommen in einen Staat, in dem Art. 5 Abs. 1 GG, namentlich "Eine Zensur findet nicht statt", sowie eine Gewaltenteilung wie in Art. 20 vorgeschrieben nicht mehr gegeben ist?! Ich bin erschüttert.


Tumefiwa – Mwanaisha ist gestorben

9. Juli 2009

Mwanaisha Fabian Ally, das Mädchen, das an dem rheumatischen Herzleiden litt, ist tot. Sie ist in der Nacht auf den siebten Juli unerwartet im Alter von neunzehn Jahren gestorben. Ende diesen Monats sollte entschieden werden, ob sie operiert werden muss oder nicht.

Ihr Tod kam vor allem unerwartet, weil sie erst am ersten Juli noch zum Monitoring in der Herzklinik war, und ihr Zustand für gut befunden wurde und ihr neue Medizin verabreicht wurde. Am sechsten Juni bekam sie Husten bzw. Lungenprobleme, woraufhin – nach vorheriger Rücksprache mit dem für ihr Herzleiden zuständigen Doktor – sie ein Medikament bekam, nach dessen Einnahme es ihr wesentlich besser ging. Nachts ging es ihr sehr schlecht, gegen zwei Uhr hatte sie sich beruhigt. Um ca. drei Uhr ist sie dann, schlafend, gestorben.

Evans hat sie dann gegen morgens um fünf ins Mwananyamala-Krankenhaus eingeliefert, wo ihr Tod offiziell festgestellt wurde. Alle Couches und Stühle wurden nach draußen geschafft, und ich habe eine Bekanntmachung per E-Mail an alle Leute, die etwas mit dem Center zu tun haben, geschickt. Die Mädchen waren fast ununterbrochen am Weinen und diverse Leute aus der Nachbarschaft kamen vorbei, haben mitgeweint und kleine Beträge gespendet.

Hier ist es Brauch, im msibani (wörtl.: in der Trauer) die Nacht nicht zu schlafen sondern der Toten zu gedenken. Ich bin bis gegen elf abends geblieben, dann zu Fuß nach Hause gegangen, und bin morgens wieder um sechs aufgestanden und mit drei anderen Jungs von FDB zum Krankenhaus gefahren, um den Totenschein abzuholen. Der verantwortliche Doktor war der absolute Schluffi. Wir haben ihm einen Brief vom THI (Tanzania Heart Institute) gegeben, in dem stand, dass sie an einem RHD (Rheumatic Heart Disease) litt und was für Medikamention sie erhalten hatte – und er guckte uns nur so ein bisschen komisch an und meinte: ja, und was wollt ihr? – Zwei Stunden haben wir dann auf die Ausstellung des Scheins gewartet.

(Ich bin ja medizinisch nicht bewandert, aber ich finde es schon komisch. Da bekommt dieses Mädchen – in Rücksprache mit dem Arzt, der hoffentlich alle Kreuz- bzw. Nebenwirkungen ihrer Herzmedikamente bedacht hat – ein Medikament, es geht ihr wesentlich besser, und dann stirbt sie plötzlich. Auf der Diagnosekarte war RHD als Todesgrund angegeben; aber ist das nicht so, als ob ich Diabetes als Todegrund angebe, bei einem Diabetiker, der an Zuckerschock gestorben ist? Bei so einem plötzlichen Tod, der im Schlaf passiert, würde ich ja mal auf Herzversagen oder Atemstillstand tippen, und dann könnte man untersuchen, was für Gründe das hatte. Ist aber nicht passiert.)

Dann haben wir beim Krankenhaus auf Mwanaishas Onkel gewartet. Ich kannte den Onkel nicht und hatte nicht einmal eine vage Vorstellung von ihm, aber ich hörte immer, dass er noch dabei ist, einen Sarg und ein Auto zu organisieren, dass den Sarg nach Morogoro (250km entfernt von Dar) transportiert, wo Mwanaishas Eltern begraben sind. Während Mwanaisha von einem christlichen Vater und einer muslimischen Mutter aufgezogen wurde (und hier bei FDB glaube ich, wie die meisten Mächen, eher christlich orientiert war) bestand der Onkel, Muslim, auf ein muslimisches Begräbnis. – Und dann kamen der Onkel, der Sarg, mit dem Auto: einem großen Viehwagen, auf dem noch weitere 40 Verwandten saßen, die alle in Dar es Salaam leben. Das war für mich ein ehrlich großer Schock: Abgesehen von dem Onkel kümmert sich niemand darum, wenn sie im Krankenhaus liegt, es kümmert sich niemand darum, dass wir hier bei FDB aufs härteste um Schulgeld und Sponsoren kämpfen, aber wenn sie tot ist, und man eine kostenlose Fahrt nach Morogoro ergattern kann, dann sind plötzlich alle wieder da.

Nach muslimischen Begräbnisvorschriften wird ein Toter nicht mehr ausgestellt, soll überhaupt nicht mehr gesehen werden, sondern in ein einfaches Leinentuch eingewickelt begraben werden. Ihr Körper wurde dann innerhalb von einer halben Minute aus dem Leichenschauhaus in den Sarg im Auto gelegt, und dann gings direkt los. Bei FDB hatten wir einen Bus für 35 Personen gemietet, so dass längst nicht alle mitkommen konnten. Die Begräbniszeremonie wurde dann von den Dorfältesten des Dorfes in dem die Großmutter Mwanaishas lebt, geleitet. Unter Ausschluss der Frauen, versteht sich. Wir sind mit drei großen Viehtransportern mitten in die Wildnis gefahren, wo das Grab der Eltern ist, und sie daneben begraben. Die Begräbniszeremonie war ein einziges Gebet, von dem ich nur wenige Worte verstanden habe (weil es auf Arabisch gesprochen wurde). Es hatte aber nicht viel mit ihr selbst zu tun, und der Vortragende vergaß sogar zweimal ihren Namen. Nachdem alle Leute mitgeholfen hatten, das Loch zuzuschaufeln, gings wieder zurück, es gab einfaches Essen (für die Männer) und dann sind wir wieder nach Hause gefahren. (Na gut, nicht ganz, erst mussten wir den Bus reparieren, dessen Ölwanne bzw. Ölfilter fünfzig Meter bevor wir angekommen waren an einem großen Hubbel auf der Sandstraße kaputt gegangen war. Hat zwei Stunden gedauert.)

Mir persönlich hat das Begräbnis gut gefallen. Es ging zügig von Statten, und hat Alles in Allem einen "natürlichen" Eindruck hinterlassen. (Kein Sarg! Wie ekelerregend ich die Vorstellung finde, einen Menschen in einem Sarg vergammeln zu lassen!) Da wurde keine große Show gemacht. Ich fand es ein wenig ungewohnt dass bei dem Begäbnis keine Frauen dabei waren, und dass wir während der Zeremonie auf den Gräbern anderer Leute standen – aber so ist das.

Mir war es komisch, bei einer Beerdigung Bilder zu machen, aber ich habe jemandem meine Kamera geliehen. Hier sind Die Bilder.


Schüler umziehen in Iringa

22. Juli 2009

So langsam geht die Restzeit hier sehr schnell um. Am 31.07. empfange ich John, der vermutlich Consti im Gepäck hat, und dann werden wir den August über wohl größtenteils reisend verbringen, daher sind die Wochen jetzt gerade fast die letzten, die ich bei FDB verbringe.

Andererseits passiert hier aber so viel mehr als am Anfang. Jonathan und ich ( – Marisa hat gerade ihren Bruder zu Besuch und ist auf Sansibar) haben alle Hände voll zu tun. Ich habe die letzten beiden Wochen daran gearbeitet, zwei Schülerinnen auf andere Schulen umzuziehen. Das gestaltet sich in sofern schwierig, als dass sie beide in staatlichen Schulen angenommen wurden – das bedeutet niedriges Schulgeld – aber diese Schulen, weil staatlich, unglaublich bürokratisch arbeiten. Erst mal habe ich einen neuen Platz auf einer Schule in der Nähe von FDB gesucht (zehn Minuten Bus und dann 30 Minuten Fußweg), dann dort mit dem Rektor geredet, der mir Formulare gegeben hat, zwei Briefe aufgesetzt und mir Erklärungen für andere zu schreibende gegeben hat. Außerdem wollte er wissen, ob Leverkusen am Rhein liegt; sehr interessiert an Deutschland.

Also habe ich die Formulare kopiert (pro Schüler in vierfacher Ausfertigung), Passfotos gemacht, diese drucken lassen und auf die Formulare aufgeklebt – nur um dann zwei Stunden später festzustellen, dass die Fotos total durchgeweicht waren und die Gesichter auf die Rückseite der Formulare abgewischt worden waren. Super Qualität, so wie alle Sachen hier. Also die Formulare neu kopiert, Fotos woanders ausgedruckt und mit Tesafilm festgeklebt.

Jane (ausgesprochen wie Jenny), eine der beiden Mädchen, wurde über die Second Seletion in die staatlichen Schulen aufgenommen, das sind die Kinder, die nicht ganz gut genug waren, direkt in die staatlichen Schulen zu gehen, und nach einem Halbjahr dann die Plätze derer einnehmen, die gut genug für eine staatliche Schule waren aber trotzdem auf eine private gehen. Die Schule, wür die Jane ausgewählt worden war, liegt in Makoka – 20 Minuten Bus nach Ubungo (erste große Kreuzung in Richtung Stadt), von da aus ein kleiner Fußweg und wieder ein paar Minuten Bus fahren. Klingt nicht nach viel, ist es aber. Schüler fahren hier in jedem Bus für 100 Schillinge statt der (je nach Strecke variierenden) 200-450/=. Das macht Schüler natürlich keine begehrten Passagieren, vor allem weil es so viele Schüler gibt. Auch wenn die Busse staatlichen Vorschriften unterliegen (wie zum Beispiel Aussehen, welche Strecke, etc) und auch eine minimale Schülerquote haben, so um die fünf oder zehn pro Bus, arbeiten Fahrer und Conducter mit Eigenprofit, je mehr Leute also in einen Bus gestopft werden, desto mehr verdienen sie. Wenn man die Hauptverkehrszeit (kurz vor sechs bis kurz nach acht morgens) als Schüler meistern will, muss man daher früh aufstehen, und das im wahrsten Sinne des Wortes: über eine Stunde auf den Bus warten ist (je nach Strecke) keine Seltenheit. Um also um 7:30 oder 8:00 in Makoka zu sein, hätte Jane so kurz nach vier aufstehen müssen. Den Weg zu der neuen Schule kann man zur Not auch in eineinhalb Stunden zu Fuß schaffen. – Beim Direktor der Schule war das auch unkompliziert, der hat gesagt, kein Problem!, hat die Formulare ausgefüllt (bzw. von seiner Sekretärin ausfüllen lassen) und persönlich unterschrieben und gestempelt.

Die Schule von Subira war aber noch weiter weg: in Iringa. Anscheinend (ich weiß nicht warum) kann man soetwas auch nicht per Post erledigen, daher bin ich mit Musa nach Iringa gefahren, um mit dem Direktor ihrer alten Schule zu reden. Musa, einer der Lehrer hier, wollte sowieso mit mir nach Iringa, weil seine Familie dort lebt, also sind wir Donnerstags mittags los, und sind Donnerstag nachts angekommen. Freitag morgens sind wir früh aufgestanden, um zu besagter Isimila Secondary zu reisen. Erst mal raus aus Iringa für 1000/=; als Vergleich, man kommt für 450/= von ca. 24km außerhalb bis ins Stadtzentrum von Dar es Salaam. Dort, beim njia panda lolo ("Kreuzung Lolo") haben wir uns Fahrräder gemietet für zusammen 5000/=. Mein Fahrrad war ein umgebautes 18-Gang-Kinderfahrrad dessen Kette mit Sand geölt war; umgebaut, das heißt, dass die 18 Gänge auf einen reduziert worden waren, indem der Kettenspanner abgebaut war und die verkürzte Kette hinten auf den untersten Kranz und bei den Pedalen auf den obersten Kranz gelegt war. Auf dem gesamten Weg ist mir die Kette sicherlich über 30 Mal rausgesprungen, und Steigungen ab geschätzten 2% waren nur durch Schieben überwindbar. Dann haben wir die 8km zu der Schule, bergauf und -ab, in immerhin 1.5 Stunden zurückgelegt. Auf dem Weg habe ich Musa den Term in the middle of nowhere auf Englisch zu erklären versucht (in Kiswahili gibt es soweit ich weiß kein Wort für nirgendwo, das kann man nur beispielsweise als mahali ambapo hapana kitu chochote, wörtl.: ein Platz, der kein einziges Ding hat, umschreiben). Denn diese alte Schule von Subira war mitten im Nirgendwo, und tauchte plötzlich auf, mehrere riesig ausgedehnte Gebäude. Das nächste Haus, nicht mal mit einer Art Dorf verbunden, stand mindestens einen Kilometer entfernt. Keiner der Schüler wohnt aber an der Schule.



Um's kurz zu fassen: Der Direktor war nicht da, aber wir haben jemanden gefunden (einen Schüler von einer Schule "in der Nähe", der auch von FDB unterstützt wird), der sich der Sache annehmen wird.

Ansonsten ist Iringa eine sehr nette Stadt. Fast alle Gebäude aus Lehmziegeln gebaut. (In Dar es Salaam sind die einfachen Häuser aus Zementbacksteinen und die größeren aus Stahlbeton und Zementbacksteinen gebaut.) Iringa ist sowohl in einen Berg als auch in das angrenzende Tal gebaut, so dass man eine Stadt auf zwei Ebenen hat. (Momentan erweitern sie die Straße die das Tal und das Hochplateau verbinden, indem sie den Berg ein wenig wegsprengen. Hat eine Weile gedauert bis ich das verstanden habe, weil das Wort für "Sprengung" das gleiche ist wie für Feuerwerk, und ich mich ein paar Mal gewundert habe, warum die tagsüber Feuerwerk machen sollten, sieht doch keiner.) Vor allem aber war Iringa kalt, ehrlich zu kalt ohne eine Winterjacke (die ich mir mitbringen lassen werde von John).


Auch ist Iringa eine Stadt, die nicht so unkontrolliert und schnell gewachsen ist wie Dar es Salaam. Da habe ich richtig fortschrittliche Sachen gesehen: Bilder an der Wand, die Cartoonartig über HIV/Aids aufklären (jali familia – ogopa ukimwi, kümmere dich um deine Familie, fürchte Aids), dass man nicht in überfüllte Busse einsteigen soll und seinen Müll in die Müllcontainer werfen soll (etwas, das es in Dar es Salaam fast nicht gibt). Außerdem habe ich Werbung für Frauenkondome (oder Femidome, wie sie auch genannt werden) gesehen und in einer Bar einen Kondomautomat. Vor zwei Wochen habe ich ein paar Leuten erzählt, dass bei uns auf fast jeder Bartoilette Kondomautomaten hängen, und die haben sich sehr gewundert, – aber anscheinend gibt's das auch in diesem Land.


Diese Woche habe ich dann Janes Formulare zur Distriktverwaltung gebracht. Muss man sich so ein bisschen wie Deutsche Behörde vorstellen, nur langsamer und mit dem Look der 50er Jahre. Alles aus klarlackiertem Holz, nummeriert (sogar die In-Trays!), dunkel, abgenutzt, halt größtenteils Sozialismusrelikte. "Ja wir brauchen noch vier Bilder", hat die Sekretärin des Afisa Elimu (Officer für Bildung) mir zu verstehen gegeben. Dann bin ich heute morgen wieder los, habe ihr die Bilder gegeben, und darf Freitag wiederkommen. Und das, damit jemand auf eine andere Schule gehen kann. Ein bisschen zweifle ich doch daran, ob man das nicht auch auf dem Postwege hätte erledigen können.

So sieht es also aus. Jonathan und ich haben heute einen neuen Stundenplan geschrieben für unsere Form One, weil ich ab Ende dieser Woche meine Stunden abgebe und er ab in zwei oder drei Wochen. – Irgendwie gibt es noch so viel zu tun, aber das wird schon alles.

P.S.: Dass ich nicht so häufig Artikel schreibe liegt auch an der schlechten Internetverbindung. Um diesen Artikel zu veröffentlichen habe ich die vergangenen sieben Tage jeweils zwischen einer halben und eineinhalb Stunden im Internetcafe verbracht. Ohne etwas nennenswertes nebenbei zu machen, nur weil die Verbindung so schlecht ist. – Ich war zwei weitere Mal bei der Behörde und habe jetzt die Formulare (mit dem Passbild von einem gewissen Jungen namens Fabian statt der von Jane aufgeklebt – nicht dass ich nicht auf die losen Bilder Vor- und Nachname geschrieben hätte!). Dann muss ich nur noch zwei Mal losfahren und die Formulare verteilen, und dann ist der Umzug beendet. Ein Klacks!


Besuch, eine lange Reise und die neuen Leute

26. August 2009

Am 1. August abends habe ich John und Constantin am Flughafen in Dar es Salaam emfpangen. Seitdem war ich die ganze Zeit immer beschäftigt und unterwegs, und hatte ganz nebenbei den Spaß meines Lebens. Dadurch, dass die beiden hierher gekommen sind, habe ich noch einmal eine gute Gelegenheit bekommen, revue passieren zu lassen, wie es mir hier in der ersten Zeit ging – die Faszination, Verwirrtheit, Sprachprobleme, Langsamkeit, ...

Mir fehlt aber hier in den letzten Tagen, die mir hier bleiben, die Zeit, einen detaillierten Reisebericht aufzuschreiben oder unsere Erlebnisse zu dokumentieren. Ganz grob aber kann ich's erzählen: Wir haben erst mal eine Woche Dar es Salaam besichtigt, waren mit den Kindern von FDB am Strand (als Abschiedsaktion für Marisa, die zwei Tage später los ist, und Jonathan und mich), und sind dann nach Morogoro. Da waren wir ein paar Tage nett wandern, nur leider wurden Constis Wüsten-Wanderstiefel auf dem Berg geklaut: wir lagen zum ausruhen nach einem gemütlichen Trip in der Sonne in einem steinernen Bergflussbett und Consti hatte die Schuhe zur Entspannung ausgezogen und ein paar Meter hinter uns in den Schatten gestellt – fünf Minuten später haben wir uns umgedreht, und die Schuhe waren weg, inkl. danebengestellter Einwegsohle. Vom rein materiellen Verlust ist das tragbar, aber unangenehm muss es für ihn gewesen sein, den Berg baren Fußes bzw. mit billigen FlipFlops wieder runterzuklettern, und Schuhe solcher Qualität findet man hier leider nicht.

Weiter gings direkt nach Mbeya, wo ich ja schonmal war, was auch wieder nett war, zumindest für mich. Die beiden anderen hatten zwei Tage am Stück Durchfall, ich bin ein bisschen gewandert. Dann trafen wir zwei Dänen, die uns von BongoCamping erzählten, wo wir dann am nächsten Tag hinfuhren, und die beiden dort wieder trafen. Das ganze war ein netter Campingplatz mitten im Nichts, wo kleine Kinder rum liefen und Fußball spielen wollten. Daran hatte ich auch ein bisschen Spaß, denn es war eiskalt, ich hatte mein Winterjacke, Mütze und Handschuhe an! Die Region im Süden ist faszinierend und wird nicht umsonst als Brotkorb des Landes bezeichnet. Ich hoffe ich kann noch ein paar Bilder reinstellen: hektarweise Bananenstauden; riesige Teefelder; Wald wie in Deutschland; rote Erde; ein natürlich "gewachsene" Brücke aus Lavagestein über einen Fluss; keine Wasserprobleme, das kommt da einfach auf dem Boden, so sehr speichert die bergige Landschaft und das kalte Klima das Wasser.

Weiter gings nach Matema, nördlich am Lake Nyasa/Lake Malawi. Matema selbst hatten wir uns etwas größer vorgestellt, es gab zwei touristische Einrichtungen, eine Hand voll regulärer Einwohner, und der Strom war noch nicht in dem Dorf angekommen. Trotzdem wunderschön, nicht mehr so kalt: Die Berge liefen quasi bis in den Süßwassersee, der zumindest da wunderbar und angenehm beschwimmbar ist. Hin in dieses Kaff wollten wir laufen, wurden aber dann von einem Laster, der Pepsi-Kisten bis ganz oben geladen hatte, mitgenommen, und saßen die Fahrt über auf den Kisten, ganz oben ("Achtung, Ast!"). In einem Kaff dann gab die Kupplung des Lasters den Geist auf, also sind wir per Pickup weiter mitgenommen geworden (auf der Transportfläche auf den Rucksäcken liegend). Als wir aus Matema los sind, wurden wir die erste Strecke von einem Ambulanz-Jeep, der auf dem Weg in die nächste Klinik war, mitgenommen, und sind später per Viehtransporter weitergefahren. Abwechslungsreich, und wir waren immer dreckig.

Der Rest der Reise ging von Kyela, südlicher Grenzstadt, rein nach Malawi, in die Stadt Karonga. Ich würde gern positives über dieses Land schreiben, aber wenn man in Tansania wohnt und sich an das Leben hier gewöhnt hat und da rein kommt, dann denkt man auf einmal: oh, ich bin in einem Entwicklungsland. Da ist noch wesentlich weniger los, die Leute noch langsamer, alles kaputter, das Land muss fast alles (sogar Essen teilwese) importieren, und zwar auf dem Landwege. Ein Mann dort fasste es treffend zusammen: "We have nothing but papayas and mangos" und sagte danach "we eat from your taxes – thank you!" Nach 20 Stunden sind wir dann wieder raus, mit leichten Grenzüberschreitungsproblemen für die beiden anderen, deren Visum ungültig geworden war, weil Malawi nicht East African Union ist, und die deshalb jeweils für 50 US-$ ein neues Visum kaufen mussten, unsere Dollars aber größtenteils nicht akzeptiert wurden – aber schließlich sind wir nach Mbeya gekommen, ich hatte den ersten Durchfall dieses Jahres hier (und weiß nicht wovon), hatte hohes Fieber und Schüttelfrost und habe in Fleecejacke im Schlafsack unter einer Wolldecke im Zimmer geschlafen. Morgens dann mit dem Bus nach Dar es Salaam: ich hatte am Tag vorher Tickets gekauft, und zwar bei einer Firma, die recht günstig und pünktlich ist, obwohl an genau jenem Tag in einer Überraschungspolizeiaktion 17 Überlandbusse, unter anderem dieser Firma, in Dar es Salaam und Mbeya festgesetzt (das heißt Nummernschild abmontiert) worden waren, weil es unzulässige Busse waren: Fahrgastzellen auf LKW-Getriebe gelötet. Wir sind aber am nächsten Tag sicher in Dar es Salaam angekommen, wo der Bus aber glaube ich dann direkt auch aus dem Verkehr gezogen wurde. Morgens hatte ich noch schön einen Fieberschub im Bus auf über 40, aber da ich am Abend vorher noch schnell Malaria testen war und keine Parasiten da waren, weiß ich immer noch nicht, was ich nun hatte (oder immer noch habe).

Vor drei Tagen sind dann die beiden neuen Volunteers hier angekommen, Ulf und Sven. War ein bisschen voll hier zu Hause bei Huruma, mit Jonathan, seiner Freundin aus Deutschland, John und Consti, den beiden neuen und mir. Die Zeit jetzt vergeht so schnell (aber was erwartet man?!) und es gibt noch so viel zu erledigen. – Ich werde aber langsam schon wieder an Deutschland gewöhnt, Jonathans Freundin hat Haribo mitgebracht, und als Krönung vier Flaschen meines Lieblingsbiers(!!); Ulf hat einen Laptop (T41) dabei (auf dem ich gerade tippe – fühlt sich wie meiner zu Hause an) der voller HipHop-Musik aus dem letzten Jahr ist, die ich gesammelt nicht kenne. Ich habe mir gestern einen neuen Laptop bestellt, ich bin bei der Freien Universität Berlin für das Mathestudium angenommen und habe mich die vergangene Woche immatrikuliert. Vor zwei Stunden habe ich meinen Flugdatum bestätigen lassen: ich werde am 6. September 13:45 wieder in Hamburg ankommen. Ich habe ein paar Souvenirs, einen Koffer schon gepackt, habe hier in der Nähe bei jemandem eine Waage gefunden (sehr selten!) um mein Gepäck mal zu wiegen... alles bereit.

Ich mache mir diese Tage viele Gedanken darüber, was ich aus diesem Jahr mitnehme. Vermehrt auch denke ich darüber nach, was ich aus meinem Kiswahili mache – jetzt bin ich quasi auf dem Höchststand meiner Kenntnisse, aber es wird unvermeidlich sein, dass ich die Sprache wieder verlerne, zu einem gewissen Teil zumindest. Ich freue mich zwar riesig, wieder nach Hause zu kommen, aber auf der anderen Seite weiß ich genau, dass ich ab dem ersten Tag zu Hause das Leben in all seinen Facetten hier vermissen werde.


Eine große Spende, Computer, Abschied und Ankommen

15. September 2009

Ich bin wieder heil in Deutschland angekommen, mir geht es gut und ich habe gerade eine Tiefkühlpizza in den Ofen geschoben. Dies wird der letzte Eintrag in diesem Blog werden, daher werde ich mich auch an einem Fazit dieses Jahres versuchen. Doch der Reihe nach.

Wie manche von euch ja vielleicht wissen, veranstaltet meine alte Schule, das Christianeum, jedes Jahr ein zweitägiges Weihnachtskonzert im Michel (der größten Kirche hier in Hamburg). Martin, der im vergangenen Jahr Klassensprecher war, hat auf der Besprechung, wofür das Spendengeld verwendet wird, vorgeschlagen, es Friends of Don Bosco zukommen zu lassen, und dieser Vorschlag wurde angenommen. Daher bekam ich Anfang dieses Jahres etwas über 1500 EUR Spendengeld überwiesen. Das ganze Jahr über habe ich das Geld aber fast nicht verwendet, selbst als wenig Geld bei FDB war, weil ich – nach Absprache mit Marisa und Jonathan – entschieden hatte, es lieber zu sparen, falls eine Operation Mwanaishas notwendig werden sollte.

Nachdem die neuen Volunteers nun angekommen waren, habe ich den Rest der Zeit in Tanzania viel damit verbracht, sie ein wenig einzuarbeiten. Dabei haben wir dann überlegt, was wir mit dem Geld machen wollen, und sie fanden meine Idee gut, einen Computerraum einzurichten. Die letzten Tage war ich dann viel einkaufen, und habe drei Computer (1.8GHz, 256MB RAM, 40GB HD) mit 19"er-CRTs gekauft, komplett mit Tastatur, Maus und UPS. (Eine Uninterruptable Power Supply muss man in Tansania vor jeden Computer klemmen, das ist ein ca. autobatteriegroßes Gerät, dass Spannungsschwankungen und Stromausfälle abfängt – in Tansania ist das Stromnetz so schlecht, dass man Computer quasi nicht ohne diese Dinger benutzen kann.) Außerdem haben wir das Office in ein wirkliches Office umgewandelt: Ein guter Computer, ein Flachbildschirm, neue Tastatur und Maus, sowie ein Laserdrucker. Besonders der Laserdrucker ist toll: Dadurch braucht man pro Druckseite nur noch wenige Sekunden im Gegensatz zu vorher, wo man, wenn man sich beeilt hat, innerhalb von 15 Minuten über die Straße ins Internet-Cafe gehen und dort drucken konnte. Während sich die Druckgeschwindigkeit also verachtzigfacht hat, haben sich die Kosten pro Ausdruck von 500 auf 80 Tshs gesenkt. Hoffentlich hält der Drucker eine Weile.

Die beiden Neuen werden nun die nächsten Wochen mit dem Computerunterricht anfangen, haben dafür dann einen neuen Tisch im aktuellen Lehrerzimmer konstruiert. Momentan spielt das Glück FDB wirklich in die Hände, denn Evans hat einen Menschen von Oryx (Benzin- und Gasliferant) kennen gelernt, der zugesagt hat, einen neuen Schlafsaal für die Kinder zu bauen. Am nächsten morgen standen um halb sieben die Arbeiter mit Hacken und Spaten bei FDB und eine Woche später war das Fundament komplett gegossen. Daher ziehen nun alle Jungs in das Zimmer, wodurch im Haupthaus zwei Zimmer frei werden, eines wird als Lehrerzimmer umfunktioniert, und das andere wird für "Computer Studies" verwendet. Daher haben wir beim Tischler auch eine abschließbare Holztür bestellt. Einen großen Dank an dieser Stelle an das Christianeum.



Und dann – war Abschied! Alles ging ganz schnell: letzter Abend bei FDB, letztes mal Dalla-dalla fahren, letztes mal Chaimaharagwe (der Laster mit Bänken der zu uns zum Haus hoch fährt), letztes Mal Vocha (Handyaufladekarten) auf der Straße kaufen, letztes mal durch den Ubungo-Stau (siehe Bild).



Und dann saß ich im Flugzeug nach Dubai, aber selbst Emirates war ein bisschen afrikanisch drauf, mein speziell bestelltes Essen ("Raw Vegetable Meal") gab es nicht wirklich und dazu auch nur warmes Bier. Dann hatte ich meine neun Stunden Aufenthalt in Dubai, habe gut in der versteckten Emirates-Transit-Lounge gegessen, ein Buch gekauft und versucht zu schlafen, konnte es aber nicht. Dann Boarding in die Maschine nach Hamburg, wo es ein besseres Filmangebot und den Klassikmusikkanal gab, außerdem wirklich gutes Essen (immer noch Special Meal) und kaltes Bier. Landen in Hamburg, kalt, Gepäck geholt und dann wurde ich Ralf, Bettina, Martin und Jessi abgeholt.

Das Leben hier in Deutschland ist ja ganz anders. Hier laufen kaum Leute auf den Straßen herum, alles geht so schnell, alles ist irgendwie Plastik verpackt und im Supermarkt gibt es ja die Überauswahl! Auch rechtsverkehr ist wieder ungewohnt, aber so Niederflurbus- oder Bahnfahren macht ehrlich Spaß! Wasser aufkochen auf dem Herd? Drei Minuten. Ha!, da braucht man direkt 20 Minuten in Tansania.

Das Wetter hier ist zwar viel kälter, aber ich habe in Dar es Salaam schon richtig gefroren sobald es mal unter 26 Grad oder so war. Erstaunlicherweise komme ich aber hier wunderbar klar, also mir ist nicht, wie ich das erwartet hätte, immer und immer kalt. Die Luft hier ist viel einfacher zu atmen, und angenehmer.

Eine große Umstellung ist vor allem Wasser hier: Ich wundere mich immer noch wenn ich einen Wasserhahn aufdrehe und dan einfach Wasser rauskommt, und das zu jeder Tages- oder Nachtzeit. Und dann kommt ja nicht nur Wasser, sondern gutes Trinkwasser raus. Und morgens dusche ich mit Trinkwasser! – In Tansania hatten wir's ja schon luxuriös mit Pumpe und Wassertank, aber da habe ich dann auch nur so sechs, sieben Liter Wasser am morgen verduscht, weil das Wasser einfach so teuer und rar in Dar es Salaam ist. Und hier ist Wasser einfach im Überfluss vorhanden! Auch wenn ich Salat wasche, dann muss ich den nur kurz abschütteln, nicht irgendwie aufwändig trocknen, weil das Wasser hier ja nicht "gefährlich" ist. – Ihr müsst aber nun nicht denken: oh, die armen Tansanier, haben ja alle Wasserprobleme – das mit dem Wasser ist besonders ein Problem Dar es Salaams; die Stadt ist ja quasi auf Sand bzw. Steppe gebaut, und da gibts nichts was Wasser wirklich speichern könnte. Sobald man sich aber in höheren Regionen, im hügligen Vorland der Berge bewegt, dann sprudelt das Wasser da aus dem Boden wenn man ein bisschen bohrt, und da ist Wasser auch in Massen kostenlos zu bekommen (und auch trinkbar!).

Eine weitere große Umstellung ist die ständige Verfügbarkeit von Computern und Internet. Hier brauche ich keien Zeitung aus Papier zu lesen, denn alles steht steht auch bei Online-Zeitungen, die ich schneller und kostenlos abrufen kann. – Vor allem ist es unglaublich, wie sehr hier (und da sind wir in Deutschland ja auch Vorreiter) das Internet die demokratisierung der Gesellschaft fördert bzw. an demokratischen Entscheidungsprozessen mitwirkt. Ein (trauriges) aktuelles Beispiel ist hier zu finden. In Tansania wird das Internet wirklich oberflächlich genutzt, also zum E-Mails schreiben, Runterladen von Programmen und sich in Werbung verheddern. Medienkompetenz ist dort kein Thema (kein Wunder – ich würde auch erst an anderen Stellen ansetzen). – Das ist eine wirklich große Umstellung hier, und das gefällt mir sehr gut.

Ich habe nun eine Woche Deutschland hinter mir, und es gibt schon viel, was mir gefällt. Aber so ein wenig vermisse ich es doch, diese Kommunikation und die Herzlichkeit. Am ersten Tag bin ich durch Blankenese zum Optiker gelaufen und wollte von jemandem die Uhrzeit fragen – aber es war einfach niemand in der Nähe, und dann ist mir eingefallen, dass man das ja auf öffentlichen Uhren nachschaut anstatt wildfremde Menschen anzusprechen. Ich habe viele der Leute, die ich kenne und die noch in Hamburg sind getroffen, aber jedes Mal wieder kann ich auf die Frage: "Und, wie war's?" nur antworten: gut – viel mehr kann ich da wirklich nicht erzählen, und auch wenn die Leute sowas prinzipiell interessiert, man kann diese Erfahrungen eines Jahres gar nicht wirklich sinnvoll aufbereitet weitergeben. Viele interessieren sich aber auch nicht wirklich. (Und, ehrlich gesagt, das täte ich auch, wenn mir jemand von seinem Austauschjahr in Minnessota erzählen würde. Eine Reise nach Island hingegen wäre was anderes... viele Leute finden Afrika gar nicht so interessant wie man denkt!)

Wenn ich hier in der Bahn sitze, und mal eben in 26 Minuten staufrei in die Innenstadt fahre, dann kann ich nur am Fenster sitzen und nachdenklich rausschauen. Das Leben hier und dort ist so verschieden! In Deutschland gleitet man so durchs Leben, während man in Tansania irgendwie immer kämpfen muss: um einen Platz im Bus, beim überqueren der Straße, beim Einkauf und gegen die Sonne und Wasserknappheit.

Was tue ich den ganzen Tag? Erst einmal schlafe ich viel und liege viel im Bett. Ich meine, klar, da habe ich dann am Bett ein Telefon und Handy liegen, ein Glas Wasser, eine Schüssel Kartoffelsalat und zwei Laptops. Da kann man schon einiges erledigen. Sonst esse ich total viel, hauptsächlich Salat, auch gerne mal zum Frühstück. Ich habe direkt am ersten Tag hier eine Döner gegessen und deklariere hiermit: Ein Leben ohne Döner ist kein lebenswertes Leben. Falls ich irgendwann noch einmal für längere Zeit nach Tansania gehe, dann werde ich da jemanden delegieren müssen, guten Döner zu produzieren.

Was nehme ich mit aus diesem Jahr? – Wenn ich mir das Leben hier anschaue, dann merke ich, dass ich noch wesentlich geduldiger geworden bin als ich es vorher schon war. Meine Begeisterung für Fremdsprachen ist wieder aufgeflammt, nachdem ich Russisch in der 12. Klasse abgebrochen hatte, weil ich einfach nicht mehr vorwärts kam ohne großen Aufwand, und die Sprache nie fließend sprechen konnte. Ich habe so viele nette und offene Menschen kennengelernt, zu denen Kontakt zu halten leider schwer fallen wird. Ich habe unglaubliche Augenblicke erlebt und Bilder gesehen, die ich wohl nie vergessen werde. – Es ist schwierig, wirklich prägnant auszudrücken, ohne abgedroschene Formeln, aber...Ich sehe die Dinge mit anderen Augen. Und sobald ich wieder Geld und Zeit habe, werde ich bestimmt wieder ein paar Wochen nach Tansania reisen.

Ich danke allen Leuten, die mich in diesem Jahr unterstützt haben: meinen Eltern, allen Mitgliedern meines Spendenkreises (großes Danke!), meiner Organisation und auch euch, den Lesern. Ich habe leider nur spärlich Rückmeldung bekommen über das, was ich so schrieb, aber jetzt wo ich wieder da bin sprechen mich einige Leute an, und sagen, sie hätten das Blog immer gelesen. Daher würde ich mich freuen, wenn ihr vielleicht mal eine kleine Mail schreibt, ob euch die Berichte gefallen haben oder nicht. Viele der Leute, mit denen ich in Dar es Salaam war, haben zwar anfangs enthusiastisch Berichte geschrieben, aber irgendwann ab der Hälfte des Jahres kam dann fast nichts mehr – ich habe mich die ganze Zeit über (teilweise auch mit stundenlangem Aufwand) darum bemüht, euch informiert zu halten bzw. zu unterhalten. Ich danke für's Lesen!

Tschüß!